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Music Text

nach Nelly Sachs und einem Gebet des Buddhismus (dt.)

Scoring

perc:3gongs/BD/SD/2tam-t/3tom-t/vib

Abbreviations (PDF)

Publisher

B&B

Territory
This work is available from Boosey & Hawkes in der ganzen Welt.

Availability

Uraufführung
21/06/1981
Internationale Orgelwoche, Nürnberg
Akiko Tatsumi, violin / SDR-Chor / Siegfried Fink & Rainer Römer, percussion / Marinus Voorberg
Programme Note

O Licht... basiert auf der deutschen Übertragung eines Gebets aus dem chinesischen Buddhismus, die in der von Alfonso Maria di Nola edierten Sammlung "Gebete der Menschheit" erstmals 1957 in italienischer Sprache erschien. (Angaben zur Herkunft der Originaltexte und ihrer Übersetzung fehlen, zumindest in den deutschen Ausgaben.) Der Text gehört zum Mahayana-Buddhismus und ruft den Adi-Buddha "Unendliches, unermessliches Licht" (sanskrit: Amitabha; japanisch: Amida) an. Amitabha ist einer der fünf Hauptbuddhas, Oberhaupt der Lotosfamilie. Sein Körper hat die rote Farbe der untergehenden Sonne. Er sitzt in Meditationshaltung in Richtung Westen; seine im Schoß ruhenden Hände tragen eine Bettlerschale. Amitabha, eine der meistverehrten Gestalten des Buddhismus in China, Korea und Japan, steht für das glückselige Reine Land Sukhavati, das außerhalb der Leidensbereiche des gewöhnlichen Daseinskreislaufes liegt. Übungen, die zur (Wieder-)Geburt in diesem Reinen Land führen, sind ein fester Bestandteil jeder Vajrayana-Praxis. Ein Aspekt des Amitabha ist Amitayus ("unendliches, grenzenloses Leben"). Die Bodhisattvas Avalokites vara (Mitgefühl) und Tara (aktives Wirken) gelten als seine geistigen Kinder und Helfer. Sein Element ist das Feuer, seine Keimsilbe hrim.

Dass O Licht... der Amitabha-Verehrung gilt, ist dem Buddhisten trotz der Auslassung ersichtlich, den Yun schon in der ersten Textzeile vornimmt. Korrekt lautet dieser Anfang "O Amitabha, Licht ohnegleichen..." Wenn Yun den Namen des Amitabha, der Personifikation des unermesslichen Lichtes, in der Anrufung wegließ, so tat er das, weil er allzu konkrete Festlegungen scheute und ein möglichst allgemeingültiges Werk schaffen wollte. Vielleicht misstraute Yun aber auch dem Umstand, dass die Amitabha-Verehrung, der Amidismus, einen populistischen Wendepunkt in der Geschichte des Buddhismus bildete. Sie bot (oder bietet noch) einen Heilsweg an, der auf sofortige Erlösung drängt: Die schiere Anrufung des Buddha in der Stunde des Todes genüge, um im Reinen Land wiedergeboren zu werden.

Yun vertonte die deutsche Version des Gebetes ansonsten wortgetreu, nahm dann aber eine zweite Auslassung vor, deren Text ihm wohl ebenfalls zu konkret oder aber fragwürdig schien: "Törichterweise haben wir während unserer zahllosen Lebensformen / das Karman [= Karma] erneuert, das uns an die Erde band." Bei der Vertonung des darauf folgenden Höhepunkts setzt Yun erstmals Nelly Sachs ein, indem er über den buddhistischen Text (in den Männerstimmen)
     O behüte uns von nun an, süßes Licht,
     auf dass wir die Weisheit des Herzens nicht mehr verlieren.
den Beginn des Gedichtes von Nelly Sachs (im Alt und Sopran) blendet:
     Überall die Erde 
     baut an ihren Heimwehkolonien. 
     Nicht zu landen 
     an den Ozeanen des süchtigen Blutes
Zwischen die Worte "süchtiges Blut" fügt er "die Weisheit" und vertont als Nachklang in den Frauenstimmen die Textzeile "in Lichtmusik aus Ebbe und Flut". Diesen großen Höhepunkt in der Mitte des Werks gestaltet Yun unauffällig diskret.

Aus der Sicht des buddhistischen Ritus bilden die beiden zentralen Zeilen 
     O behüte uns von nun an, süßes Licht, 
     auf dass wir die Weisheit des Herzens nicht mehr verlieren.
eine Stelle, an der es innezuhalten gilt. Die "Weisheit des Herzens" ist ein klarer Verweis auf das "Sutra der Essenz der Weisheit", das Herz-Sutra. In diesem als Unterhaltung zwischenSriputra und Avalokitesvara überlieferten Wurzeltext wird der Gedanke entfaltet, dass Weisheit – das Gegenmittel gegen Unwissenheit – nichts anderes sei als die Wahrnehmung von Leerheit: Das heißt, an dieser Stelle des Ritus muss jegliche konkrete Bindung atomisiert und aufgelöst oder zumindest neutralisiert werden.

Statt innezuhalten interpoliert Yun hier Nelly Sachs zur Explikation innerer Vorgänge. Ihr Text verweist auf die Erde zurück und auf die Hoffnung als konkrete Utopie. Nicht von ungefähr lautet der Anfang des Gedichts, dem die Strophe "Überall die Erde" entnommen ist, Wer von der Erde kommt. Die Tröstung verheißenden Metaphern "Heimwehkolonie" und "Lichtmusik" zielen auf einen Ort, den auch das buddhistische Gebet kennt. Die Verortung der Leere realisierenden Weisheit im Herzen verweist auf die Methode, mit der diese Weisheit zu verwirklichen ist: Mitgefühl. Dieses Herz ist auch der Ort des Reinen Landes, das auch aus buddhistischer Sicht keineswegs im Jenseits liegen muss, sondern im Inneren des einzelnen Menschen. Es geht um den Frieden der Seele, die Aussöhnung von Ich und Selbst, um "Lichtmusik aus Ebbe und Flut" und "unverwundete Ewigkeitszeichen".

Vergleichsweise konventionell ist der folgende Lobpreis, den Yun als ein ideelles "Unisono" weitgehend homophon und homorhythmisch setzt. Als kontrastierendes Moment sowie solistisches Innehalten fügt er das zweite Gedicht der Sachs ein, das von den Sopranen gesungen wird: "Hängend am Strauch der Verzweiflung". In knappen Einwürfen kehren hier Fragmente des buddhistischen Textes wieder: "in Frieden", "und Glück", "bei Dir", "wieder", "geboren zu werden".

Die Niederschrift der Partitur von O Licht... beendete Yun am 4. Juni 1981 in Berlin-Kladow. Vorgesehen ist die folgende Besetzung: Solo-Violine, 5 Soprane I, 5 Soprane II (mit Tischglocken), 5 Altstimmen I, 4 Altstimmen II (mit Tischglocken), 5 Tenöre I, 4 Tenöre II (mit Tempelblocks), zweimal vier Bässe (letztere mit Standbecken und zwei Schlägeln) sowie weitere Perkussionsinstrumente (s.o.).
Walter-Wolfgang Sparrer

Subjects
Recommended Recording
cd_cover

Akiko Tatsumi (violin), Siegfried Fink & Rainer Römer (percussion) / Chor des Süddeutschen Rundfunks / Marinus Voorberg
Internationale Isang Yun Gesellschaft IYG 010

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