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Publisher

B&B

Territory
This work is available from Boosey & Hawkes in der ganzen Welt.

Availability

Uraufführung
24/01/1997
Konzerthaus, Großer Saal, Berlin
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin / Lawrence Foster
Composer's Notes

Kyrie-Sanctus-Agnus Dei sind seit Jahrhunderten tragende Bestandteile der Messe.
Damit wurden sie für die Komponisten gleichsam zu Topoi der musikalischen Vorstellung, die neben Vokalkompositionen rein instrumentale Gestaltungen inaugurierten – man denke an die frühen Orgelmessen.
Auch für die Instrumentalkomposition Liturgia konnte ich auf die prägnante formale Gliederung der Texte zurückgreifen: deutlich wahrnehmbar ist der dreimalige espressive Anruf im Kyrie und in dem in drei Wellen zur Ruhe geführten Agnus Dei.
Das dem ganzen Werk immanente Kompositionsprinzip von Spannung und Kontemplation tritt im Sanctus mit seinem reichen Textbezug besonders in Erscheinung. Der aus dem Unisono des ganzen Streichkörpers heraus sich steigernde Lobgesang wird in der zweimaligen Agitato-Bewegung des Hosanna – das stille Benedictus umgreifend – zur Kulmination geführt. Alle entwickelten sprachmelodischen Elemente fordern aus heutiger Sicht eine differenzierte musikalische Semantik, die die gegebenen Sinnbezüge in einer architektonischen Gesamtform auffängt.
Liturgia entstand, als ich mich 1995 entschloss, Kyrie, Sanctus und Agnus Dei meiner Missa für Streichquartett für Streichorchester zu gestalten. Kompositorisch bedeutete es, das im Quartettsatz gebundene Material so zu formen, dass zunächst keimhaft erscheinende klangfarbliche Momente jetzt voll entfaltet wurden. Im Wechselspiel der Gruppen, in der Ausarbeitung der linearen Schichtung erhebt sich die metamorphosierte Idee in neuer Beleuchtung. Aufgehoben bleibt der liturgische Bezug im Titel des Werkes.

I Kyrie
Kyrie eleison
Christe eleison
Kyrie eleison

II Sanctus
Sanctus, sanctus, sanctus
dominus deus Sabaoth.
Pleni sunt coeli et terra gloria tua.
Hosanna in excelsis.
Benedictus, qui venit in nomine domini.
Hosanna in excelsis.

III Agnus
Agnus dei, qui tollis peccata mundi,
miserere nobis.
Agnus dei, qui tollis peccata mundi,
miserere nobis.
Agnus dei, qui tollis peccata mundi,
dona nobis pacem.

Programme Note

„Liturgia“ von 1996 ist die orchestrale Erweiterung der „Missa“ für Streichquartett. Übernommen wurden dabei „Kyrie“, „Sanctus“ und „Agnus Dei“ – drei Stücke, die, wie der Komponist erläutert, „eine Brücke schlagen zwischen strenger Form und unmittelbarem, fast leidenschaftlichem Ausdruck. Gleichsam das Gegenstück zu meiner Musik für drei Streichergruppen ‘Griechenland’ von 1981, diesmal nicht mit Blick auf die Utopie der Antike, sondern der gerade heute so wichtige Bezug zu einer uns betreffenden mythischen Sphäre.“

Der ursprüngliche Quartettsatz geht dabei in „Liturgia“ klanglich auf in einer weit gefächerten Unterteilung des Streichorchesters. Bis auf wenige Ausnahmen, etwa im „Sanctus“, wo die Quartett-Faktur stellenweise erhalten blieb, ist der Instrumentalsatz durch Zusatz einer eigenständigen Kontrabass-Stimme zur Fünfstimmigkeit erweitert. Ausgehend vom Verfahren einer Reduktion des musikalischen Materials bis auf „keimhaft erscheinende klangfarbliche Momente“ (F.M. Beyer), gewann der Komponist schließlich ein neues dichtes Linienwerk und differenzierte des Weiteren durch Satztechniken, die Johann Sebastian Bach verpflichtet sind: mit einem Wechselspiel und konzertierendem Miteinander von Soli und Gruppen, von rezitativischen und chorischen Abschnitten. Klangschönheit und Farbenspiel, vor allem die Vorliebe für den Streicherklang – für Beyer „Ausdruck des Apollinischen“ – stehen in „Liturgia“ im Vordergrund – ebenso wie auch im Violinkonzert „Musik der Frühe“ (1992/93) und im Cellokonzert „Canto di giorno“ (1998/99).

Beyers kirchenmusikalische Wurzeln spiegeln sich in „Liturgia“ in Passagen der Verinnerlichung und des emphatischen Gestus, in „Kyrie“-Anruf und „Hosanna“-Hymnik. Obgleich „Liturgia“ ohne gesungenes Wort auskommt – der Text ist in der Partitur aber stellenweise notiert und mitzulesen –, ist diese Streicher-Messe erstaunlich beredt, denn in der differenzierten Textur scheint das sakrale Wort gleichsam mitzuklingen. Filigrane Streicherflächen und solistische Einwürfe, ausdrucksstarke Harmonik und immer wieder eingestreute kontemplative Momente lassen ein Kaleidoskop von bezwingender Intensität entstehen. Mehrmals kulminiert die Musik dabei in einem hell leuchtenden Tonfall.

Auf vielfältige Weise organisiert Beyer seinen Streicherklang: Durch die Intimität des unbegleiteten Solos wie durch das barocke Concertato-Prinzip, durch volle homophone Blöcke aller Stimmen (etwa zu Beginn des „Sanctus“) oder den Wettstreit einzelner Streichergruppen. Immer wieder durchziehen komplexe polyphone Überlagerungen und kleine Motivzellen die Partitur, abgelöst von kantilenenartigen, oft solistischen Einschüben, die mit ihrem Melos den Satz dramatisch intensivieren. Der menschlichen Stimme nähert sich Beyer dabei immer wieder instrumental, beispielsweise „durch die Viola, die er als ‘orphisches Instrument’, als Verkörperung des singenden Menschen betrachtet“ (Claudia Stahl). So ist die Viola an zentralen Stellen mit ausgreifenden Kantilenen betraut, etwa kurz nach Beginn des „Kyrie“ unter dem schwebenden Firmament der Ersten Violine, oder im letzten Satz, um noch einmal das „Agnus Dei, qui tollis peccata mundi, dona nobis pacem“ („Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünden der Welt; gib uns deinen Frieden“) in Erinnerung zu rufen, eingebettet in zarte Liegetöne der übrigen Streicher.

Zum Abschluss sei eine musikalische Charakterisierung von „Liturgia“ in den Worten des Komponisten zitiert: „‘Kyrie’ – ‘Sanctus’ – ‘Agnus Dei’ sind seit drei Jahrhunderten tragende Bestandteile der Messe. Damit wurden sie für die Komponisten gleichsam zu Topoi musikalischer Vorstellung, die neben Vokalkompositionen rein instrumentale Gestaltungen inaugurierten – man denke an die frühen Orgelmessen. Auch für die Instrumentalkomposition „Liturgia“ konnte ich auf die prägnante formale Gliederung der Texte zurückgreifen: Deutlich wahrnehmbar ist der dreimalige expressive Anruf im „Kyrie“ und in dem in drei Wellen zur Ruhe geführten „Agnus Dei“. Das dem ganzen Werk immanente Kompositionsprinzip von Spannung und Kontemplation tritt im Sanctus mit seinem reichen Textbezug besonders in Erscheinung. Der aus dem Unisono des ganzen Streichkörpers heraus sich steigernde Lobgesang wird in der zweimaligen Agitato-Bewegung des „Hosanna“ – das stille „Benedictus“ umgreifend – zur Kulmination geführt. Alle entwickelten sprachmelodischen Elemente fordern aus heutiger Sicht eine differenzierte musikalische Semantik, die die gegebenen Sinnbezüge in einer architektonischen Gesamtform auffängt.
Susanne Schmerda © 2006 (Auszug aus den Programmheften des Münchner Rundfunkorchesters)

Recommended Recording
cd_cover

Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin / Siegfried Kurz
edel CLASSICS 0085222ACA

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