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Orchesterbesetzung

3.3.3.3-4.4.3.2-perc(4):piano strings/t.bells/vib/bin-sasara/bamboo chime/2 Javanese gongs/guiro/SD (lg)/tamb(lg)/Japanese temple bell(lg)/BD/tam-t(lg)-harp-strings(12.12.10.10.8)

Abkürzungsverzeichnis (PDF)

Verlag:

Boosey & Hawkes

Vertriebsgebiet
Dieses Werk ist erhältlich bei Boosey & Hawkes in der ganzen Welt.

Verfügbarkeit

Uraufführung
28/08/2009
Suntory Hall, Tokyo
Wu Wei, sheng / Tokyo Symphony Orchestra / Kazuyoshi Akiyama
Über das Werk

Bislang hatte Unsuk Chin es weitgehend vermieden, für Instrumente aus traditionellen außereuropäischen Musikkulturen zu komponieren: zu groß erschienen ihr die Gefahren des musikalischen Exotismus. Ihre Meinung änderte sie erst, als sie den Shengvirtuosen Wu Wei zu hören bekam. Wu Wei, in verschiedensten musikalischen Stilen zu Hause, hat wie kein anderer dazu beigetragen, die chinesische Mundorgel außerhalb seiner Heimat bekannt zu machen und ihre spieltechnischen Möglichkeiten zu erweitern. Davon zeugen nicht zuletzt hundertdreißig Uraufführungen von Werken zeitgenössischer Musik.
Die Sheng ist mindestens 3500 Jahre alt und damit das bei weitem älteste Instrument mit dem Prinzip der Durschlagzunge (das auch bei Kirchenorgeln oder beim Akkordeon angewandt wird). In jüngster Zeit wurde sie radikal modernisiert. Mittels Klappenmechanik wurden Chromatik, Mehrstimmigkeit und ein enormer Tonumfang ermöglicht, die zusammen mit der klanglichen Vielseitigkeit und der Variabilität ihrer Dynamik zur Faszination dieses Instruments beitragen. Dazu kommt noch die enorme Leistungsfähigkeit, die vom Shengspieler verlangt wird, werden doch die Töne sowohl beim Ausblasen als auch beim Einatmen erzeugt. Im klanglichen Bereich schliesslich verblüfft die Sheng durch ihre verschiedenen klanglichen Facetten, etwa dann, wenn auf ihr hervorgebrachte Klänge an Elektronische Musik gemahnen.
Unsuk Chin erzählt, daß sie die Sheng – genau gesagt, ihr koreanisches Pendant – zum ersten Mal als Kind erlebte, als jemand in der Ferne, auf einem Berg Klänge auf ihr blies. Ungewöhnlich genug, übt das Instrument doch in der koreanischen traditionellen Musik lediglich eine begleitende Rolle aus. Dieses Erlebnis verband Chin mit der Vorstellung einer "Sehnsucht nach dem fernen Klang", die ein weiteres Movens für die Entstehung von Šu (Shu) darstellt. Der Titel entstammt der ägyptischen Mythologie, in der sie ein Symbol der Luft darstellt. Tatsächlich hat man hier mittels der räumlich-klanglichen Aspekte oft den Eindruck einer Freiluftmusik, einer – in nicht naturalistischen Weise – Klang gewordenen Natur.
Die traditionelle Idee des Konzerts als Wettstreit weicht einem Spiel mit ständig wechselnden Perspektiven, das Camouflage, Mimikry und Morphing kennt. Die Instrumente des Orchesters, die zusammen, kammermusikalisch oder auch solistisch geführt werden, agieren als Schatten und Echo des Solisten oder setzten Kontraste. Zuweilen verschmelzen sie auch mit der Sheng, um aber dann an markanten Stellen zu wuchern und – akustischen Urgewalten gleich – den klangmächtigen Solisten zu überwältigen drohen. Mittels ungewöhnlichen Spieltechniken und ausgefallen-raffinierter Instrumentation werden sowohl das Soloinstrument als auch der symphonische Apparat neu herausgefordert. Was dieser traditionell als Störfaktor ausblendete, den geräuschhaften Klang, wird hier – im Dialog mit 'normaleren' Ausdrucksmitteln und Spielweisen – zu einem Quell eigentümlicher Schönheit. Bestimmte Klangfarben und insbesondere die Behandlung der Schlagzeuggruppe beziehen sich ansatzweise an koreanische traditionelle Musik. Ein Beispiel dafür, wie Unsuk Chin ihr Personalstil gleichermaßen aus Einflüssen traditioneller außereuropäischen Musikkulturen wie der 'abendländischen' Musikgeschichte (bis hin zur Avantgarde) amalgamiert.
Šu basiert auf einem strikten harmonischen und formalen Plan: Haupttöne, die das harmonische Fundament dieser Musik bilden, durchwandern im Laufe des Stückes einen Kreis und werden dabei stets in Relation aufeinander neu definiert. Weitere Mittel bei der zeitlichen Gestaltung waren bestimmte Zahlenverhältnisse, wobei die Zahl sieben eine wesentliche Rolle spielt. Besonders häufig tritt folgendes Muster auf: ein Takt wird in 4+3 Einheiten unterteilt und von einem mit ihm zusammengekoppelten Takt gespiegelt.
Äußerst schlicht beginnt das einsätzige Werk: sachte und in immer neuen Anläufen umkreist die Sheng einen Ton, von gleißenden Streicherflageoletts wie von Halos umkreist. Aus diesen klanglichen Zellen 'generiert' Chin weitgespannte, organisch in der Zeit fliessende musikalische Prozesse, wobei verschiedene, miteinander alternierende Instrumentengruppen, Melodiefragmente und motivische Einsprengsel vorgestellt werden. Besondere Bedeutung gewinnt ein stets wiederkehrendes schlagzeugdominiertes, rhythmisch erregtes, repetitives Motiv, das einer Anballung von Energie gleichkommt. Durch eine Schlagzeugattacke und einem geräuschhaften Zwischenspiel kommt es zu einer überraschenden Zäsur – so, als wäre die vorangegangene Entwicklung als Trugbild entlarvt. Doch 'generiert' dieses kalkulierte Chaos wiederum organisch sich entwickelnde Prozesse. Aus triebhaft wuchernden und schliesslich in sich zerfallenden Orchestertexturen kristallisiert sich bei der Sheng ein leierkastenartiges, rhythmisch vierschrötiges Motiv heraus, das im Dialog mit räumlich verteilten Mundharmonikas einen ganzen Abschnitt bestimmt. Nach einem weiteren, geräuschhaften Abschnitt, das räumliche Weite und zeitliche Erstarrung evoziert, entfaltet sich bei der Sheng ein lebendiges rhythmisches Muster, das sich in vier Ansätzen immer höher schraubt. Die Idee des sich verlebendigenden Rhythmus entstammt der koreanischen Bauernmusik bzw. der 'Samulnori'-Musik. Wobei das, was die Komponistin daraus macht, mit dem Modell nichts mehr zu tun hat. In dieser 'Quasi-Kadenz' prallen zwei Welten aufeinander, was eine hohe Energie erzeugt: die Sheng spielt eine durchgehende, repetitive, strikt rhythmische Figur, die von quasi aleatorischen orchestralen Mustern kommentiert wird. Zuerst von rhythmischen Einwürfen der Fell- und anderer Schlagzeuginstrumente beantwortet, blitzen zum perpetuum mobile der Sheng verschiedenste, irrlichternde Klänge, Farben und Charaktere auf. Nach einer kurzen Generalpause geht die Stretta immer mehr ins Chaotische und Geräuschhafte über, um dann schliesslich in ein wucherndes Orchestertutti zu münden, das zugleich eine Art Reprise einleitet. Der Tuttiklang bricht in sich zusammen. Ein verfremdeter, fluktuierender Kontrabasston schält sich aus der Textur heraus; die Sheng nimmt die Motivik des Anfangs auf, von im Zuschauerraum platzierten Streichern reflektiert. In verwandelter Form kehrt die Musik in ihren Anfang zurück und versinkt in die Stille.
© Maris Gothóni

Empfohlene Aufnahme
cd_cover

Wu Wei/Seoul Philharmonic Orchestra/Myung-Whun Chung
Deutsche Grammophon 481 0971

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