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Texto Musical
Orquestación

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Abreviaturas (PDF)

Publicador

Boosey & Hawkes

Territorio
Este trabajo está disponible a través de Boosey & Hawkes in der ganzen Welt.

Disponibilidad

Uraufführung
07/11/1999
Royal Festival Hall, London
The Hilliard Ensemble / London Philharmonic Orchestra / Kent Nagano
Erstaufführung der Fassung
30/06/2001
Philharmonie, Berlin
The Hilliard Ensemble / Deutsches Symphonie-Orchester Berlin / Kent Nagano
Nota del programa

Jeder geschichtliche Ausschnitt, dem sich eine Zeit rückblickend zuwendet, wir zum "fernen Spiegel" (Tuchman), denn ein emotionsloser und damit intentionsloser Blick auf Geschichte ist nicht möglich.Und im Reflex liegt nicht selten der Keim zu Neuem. So hat die erst um 1900 einsetzende Beschäftigung mit der polyphonen Musik des späten Mittelalters der Musik des 20. Jahrhunderts wesentliche Impulse gegeben, zunächst im Sinne eines Antidots gegen die schäumende Opulenz der Spätest- und Neuromantik wie gegen die "vagen Stimmungen" des Impressionimus: Strawinsky faszinierten Spaltklang, modale Rhythmik und Melodik an Machauts Messe de Notre Dame, die zweite Wiener Schule berief sich auf die kontrapunktischen Künste der Niederländer, Ligeti begeisterte sich für die rhythmischen Errungenschaften der Ars Subtilior, Birtwistle komponierte im Sinne einer Reverenz Machaut a ma maniere, Hoquetus David und Hoquetus Petrus, - weitere Beispiele finden sich zuhauf. Tatsächlich zieht sich die Auseinandersetzung der Avantgarde mit mittelalterlicher und spätmittelalterlicher Musik wie ein geheimer roter Faden durch die Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts. Weniger kommentiert als andere Tendenzen, aber kaum weniger bedeutsam.

Auch Unsuk Chins Miroirs des Temps steht in dieser Tradition. Das als Zyklus angelegte Werk, das um die Themen Liebe und Tod kreist, besteht aus 7 Sätzen. Zwei davon sind behutsame Bearbeitungen eines zypriotischen Virelais und einer Ballata von Johannes Ciconia, beide aus dem frühen 15. Jahrhundert, der Blütezeit der musikalischen Spägotik in Europa. Die beiden Ecksätze lassen sich vorsichtig als "Hommage an Perotin", der zentrale, in drei große Abschnitte gegliederte 3. Satz als "Hommage an Machaut" beschreiben.

Die Idee des Spiegels und der Komplementarität dominiert den ideellen wie konkret musikalischen Gehalt des gesamten Zyklus. Die Anregung dazu gab Machauts berühmtes Rondeau Ma fin est mon commencement et mon commencement ma fin, das allerdings nur mit seinem Text zitiert wird. Es handelt sich bei diesem Rondeau um das früheste Beispiel eines musikalischen Palindroms, das heißt eines Stückes, indem die beteiligten Stimmen gegeneinander, respektive in sich krebsgängig verlaufen, das Stück also gleich klingt, ob man es von vorne nach hinten, oder von hinten nach vorne spielt. Die Komponistin übernahm die strukturelle Idee, weitete die Dreistimmigkeit bei Machaut allerdings bis zur 18-Stimmigkeit! Am konkreten Beispiel des 2. Abschnitts von III, besetzt mit Blockflötenquartett, Bläserquartett, Sängerquartett und Streichsextett bedeutet dies: Sopranblockflöte und Piccolo sind zueinander krebsläufig und rhythmisch komplementär (Hoquetus-Technik); Tenorblockflöte und Contratenor sind zueinander krebsläufig, ebenso Fagott und Tenor 2. Alle anderen Stimmen sind, wie auch in III/1, in sich von der Mitte an rückläufig. Der filigran bewegte Satz ist durchgehend vollstimmig, während sich III/1 zur Mitte hin verdichtet und entsprechend zum Ende hin wieder ausdünnt. In III/3 wird die strenge Linearität aufgelockert, das Prinzip der Nichtumkehrbarkeit (wie Messiaen es nannte) wird in einzelnen Stimmen nur noch abschnittsweise durchgeführt, dafür tritt die koloristische Qualität des Orchesters wieder in den Vordergrund. Das Intervall der Terz dominiert den Satz im harmonischen wie melodischen Gefüge.

Die Idee des Palindroms erfährt weiterhin ihre Anwendung auf den gesamten Zyklus – I und VII sind in einem imaginären Mittelpunkt gespiegelt, d.h. der siebente Satz ist in weiten Teilen die rückläufige Form des ersten. Die Rückläufigkeit wird hier konsequent auch auf den Text angewandt. Im Gegensatz zu der hypertrophen Polyphonie von III und V folgen die Rahmensätze dem homophonen Duktus des Organums. Das Orchester begleitet mit einem in sich rhythmisierten, irrisierenden Klangteppich, ein "Reflex" des 20. Jahrhunderts auf den Beginn des ausklingenden Jahrtausends.

Um das Zentrum des Werkes, in dem Anfang und Ende zusammenlaufen, ordnen sich die einzelnen Sätze im Sinne komplementärer Ergänzung: Den Todesqualen, die der Liebende in Ciconias Ballata Merce o morte erleidet, steht die geradezu paradiesische Liebeserfüllung des anonymen zypriotischen Liebesgedichtes entgegen. Den lateinischen Sentenzen des ersten Satzes (eine Kompilation aus verschiedenen liturgischen Texten), in denen die Allgewalt des Todes über das Leben zum Ausdruck kommt, widerspricht Fernando Pessoas Gedicht A morte é a curra da estrada. Das Palindrom beschwört im musikalischen Augenblick die Aufhebung der linearen Zeit, die Überwindung von Zeitlichkeit und damit die Überwindung des Todes symbolisierend: Das Sterben entrückt nur dem sehenden Sinn.

© Frank Harders-Wuthenow, 1999

Reproduction Rights
This program note can be reproduced free of charge in concert programs with a credit to Frank Harders-Wuthenow

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