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Eine Einführung in die Musik Einems von Harald Kunz
...ein Bekenntnis zur Tradition

Seitdem die Neue Musik gealtert, die Avantgarde überholt und die Postmoderne etabliert ist, gilt es heute nicht mehr als illegitim, sich zu Traditionen zu bekennen, Traditionen weiterzuführen und zu entwickeln.

Gottfried von Einem, in seiner Jugend als zu modern verschrieen, war auch in reiferen Jahren kein konservativ rückgewandter Traditionalist. Er fühlte in seinem Wirken durchaus den Puls der Zeit. Seine Interpreten und sein Publikum verstanden seine Musik als aktuell und lebendig. Allerdings war sie nie modern im Sinne von modisch. Gottfried von Einem folgte keinem Tagestrend, sondern er gehorchte ausschließlich seinem handwerklich geschulten, umfassend informierten und durch seine außergewöhnliche Persönlichkeit geprägten Gestaltungswillen. Ausgehend von der sicher beherrschten traditionellen Basis wirkte das unverwechselbar Individuelle in der Musik des Komponisten als erfrischender Gegensatz zum Gewohnten, als überraschender Impuls für ein neues Hörerlebnis.

Gottfried von Einem vertrat die Ansicht, daß erst vor dem Hintergrund einer dem Hörer vertraut scheinenden Musik das Unerwartete als neu empfunden werde. Bei ausschließlicher Verwendung neuartiger Elemente erfolge dagegen eine Abstumpfung der Aufmerksamkeit für das Neue, die zur Langeweile führen könne. Langweiligkeit aber sei die größte Sünde, die ein Künstler begehen könne. Gottfried von Einem hat sie zeitlebens in seinen Werken vermieden und verhindert.

In seinen Partituren, die grundsätzlich einer erweiterten Tonalität zuzuordnen sind, finden sich bei näherer Analyse chromatische, atonale, pentatonische, auch dodekaphone Bildungen. Der Komponist setzt sie als Stilmittel ein, wo es ihm erforderlich oder wünschenswert erscheint.

Ähnlich unorthodox behandelt Gottfried von Einem die Rhythmik. Immer wieder unterbricht er reguläre Zeitströme durch polyrhythmische Verschleierungen oder stört den erwarteten Ablauf durch explosive Querschüsse, die dem Temperament des Komponisten, seinem dramatischen Charakter entspringen.

Dramatik ist denn auch die hervorstechendste Eigenschaft der Musik Gottfried von Einems. Sie verhilft seinen Opern und Balletten, seinen Kantaten und Orchesterstücken zum sicheren Publikumserfolg. Als Gegensatz zu den Sforzati seiner dramatischen Akzente bezaubert Gottfried von Einem andererseits auch durch zarteste Lyrismen in den Vokal- und Instrumentalpartien der Opern, in den langsamen Sätzen der Orchesterwerke, in den Liedern und der Kammermusik. Heiterkeit und Trauer, Aufruhr und Verzicht - aus solcher Ambivalenz spricht der Reichtum der Persönlichkeit Gottfried von Einems, die in seinem alle Gattungen umfassenden Œuvre ihren meisterhaften Ausdruck gefunden hat.

Harald Kunz, 1998

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