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Eine Einführung in die Musik Gerald Finzis
von Andrew Burn

Gerald Finzi hat den kreativen Künstler mit einem Korallentier gleichgesetzt, 'das aus der unsicheren Welt ringsum sein Riff baut und ein festes Gefüge schafft, das weit über sein eigenes vergängliches und unsicheres Leben hinaus Bestand hat'. 'Vergänglich' und 'unsicher', das sind hier die Schlüsselbegriffe: Finzi war sich zeit seines Lebens der Vergänglichkeit aller Existenz bewußt; noch ehe er achtzehn Jahre alt war, hatten ihm der Tod seines Vaters, dreier Brüder und seines Lehrers Ernest Farrar die Unsicherheit des Daseins klargemacht, und mit fünfzig Jahren wußte er, daß er selbst bald sterben würde. Dieses Empfinden von Sterblichkeit ist der profundeste Aspekt seiner Kunst; sie ist aus der herrlichen Kantate Dies natalis herauszuhören, aus den Liedreihen A Young Man’s Exhortation und Earth and Air and Rain sowie aus seinen anderen Liedern nach Texten von Thomas Hardy, seinem Lieblingsdichter, dessen düsterer Fatalis-mus seinem eigenen Weltbild entsprach. Ein weiteres bevorzugtes Thema, das sich bis in die erwähnten traumatischen Jahre zurück-verfolgen läßt, betrifft die Erfahrung im Erwachsenenalter, die das unschuldige Erleben der Kindheit befleckt und offenbart sich beispielsweise in seiner großangelegten Vertonung von Wordsworths Intimations of Immortality.

Finzis Musik ist in der Tradition von Elgar, Parry, Vaughan Williams und jener Komponisten der ersten Jahrzehnte des Jahrhunderts verwurzelt, für die wie für Ivor Gurney das Liedschaffen eine Hauptquelle des Ausdrucks war. Rund zwei Drittel seiner Musik ist Vokalmusik, und das deutet auf die individuellste Eigenheit von Finzis Kunst hin – die Art, wie er auf Worte reagiert. Sie führt zu Musik, die scheinbar unausweichlich und mühelos mit den Gedankengängen des Dichters eins ist. Dieser innere Einklang mit den von ihm vertonten Autoren entsprang Finzis bemerkenswerten Kenntnissen der englischen Literatur und insbesondere der Lyrik. Als Jugendlicher war er nach innen gekehrt und einsam: Bücher waren seine Gefährten, und in Dichtern wie Hardy, Traherne und Wordsworth entdeckte er eine Geistesverwandtschaft, die das Ethos seines eigenen Lebens prägte.

Die Lieder und mehrere kurze Orchester- und Kammermusikwerke lassen vermuten, daß er ein Komponist von Miniaturen gewesen sein könnte, doch nimmt seine Musik nach dem Zweiten Weltkrieg an Anspruch und Umfang zu. Das zeigen die Konzerte für Klarinette und Cello sowie die großangelegten Chorwerke For St. Cecilia und Intimations of Immortality. Er war besonders von der Baritonstimme angetan, und die Klarinette zählte zu seinen Lieblingsinstrumenten; für beide schrieb er einige seiner reizvollsten und populärsten Werke – die Shakespeare-Lieder unter dem Titel Let Us Garlands Bring sowie die Five Bagatelles und das Klarinettenkonzert, das sich, wie zahlreiche verschiedene Aufnahmen des Werks auf Tonträger beweisen, als Klassiker des 20. Jahrhunderts für das Instrument fest etabliert hat.

Unermüdlich, damit nur ja nichts verlorenging, schweifte Finzis tatkräftiger Geist weit über seine eigenen Kompositionen hinaus. Er betätigte sich als leidenschaftlicher Fürsprecher vernachlässigter Komponisten wie Gurney und Parry. Mit dem Ensemble Newbury Strings ließ er Komponisten des 18. Jahrhunderts wie Stanley und Mudge wiederaufleben und förderte junge Talente wie Kenneth Leighton. Er legte eine einzigartige und wertvolle Bibliothek englischer Lyrik, Philosophie und Literatur an, deren 3000 Bände heute an der Universität von Reading aufbewahrt werden. Und nicht zuletzt rettete er in seinem Obstgarten in Ashmansworth das Erbgut mehrerer englischer Apfelsorten vor dem Aussterben. Für Finzi war das Erlesene und Seltene, sei es Musik, Schrifttum oder einfach ein süßer Apfel, eine Freude, die es zu bewahren galt.

Andrew Burn, 1994

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