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Walter Braunfels wurde am 19. Dezember 1882 in Frankfurt am Main geboren. Bereits während seiner Kindheit in einem kunst-, literatur- und musikbegeisterten Elternhaus zeigte sich bei ihm ein Talent zum Klavierspiel und besonders zum Improvisieren; während der Schulzeit studierte er bei James Kwast (Klavier) und Iwan Knorr (Theorie) am Hochschen Konservatorium in seiner Heimatstadt Frankfurt. Nach dem Abitur entschied er sich 1901 zunächst für ein Studium der Rechte und der Volkswirtschaftslehre in Kiel, um bereits im folgenden Jahr an die Universität München zu wechseln; im Winter 1902/1903 entschloss er sich doch zu einem Musikstudium und ging zu Theodor Leschetitzky nach Wien. Ab September 1903 setzte er seine Ausbildung bei Ludwig Thuille und Felix Mottl in München fort und empfing dort seine wesentliche musikalische Prägung (so nahm er beispielsweise als Korrepetitor an den Proben zur Erstaufführung von Richard Strauss’ Salome in München teil). Etwa zwei Jahre später fand Braunfels über seinen Onkel Karl Wolfskehl Kontakt zum Kreis um Stefan George und kam dabei auch mit dem Zirkel um den Bildhauer Adolf von Hildebrand in Berührung, der ihn stark beeindruckte. Dort lernte er dessen Tochter Berta, genannt Bertel, kennen (seine spätere Ehefrau), die zu dieser Zeit mit Wilhelm Furtwängler liiert war und von Max Reger unterrichtet wurde.

Nachdem sich in der Münchner Zeit erste Erfolge als Komponist eingestellt hatten, wurde Braunfels während des Ersten Weltkriegs zum Militärdienst verpflichtet, bei dem er nur knapp einer Explosionskatastrophe entging und verwundet heimkehrte. Die Erlebnisse des Krieges vermittelten sich Braunfels als tiefe religiöse Erfahrung, in deren Folge er am 17. Juni 1918 zum Katholizismus übertrat. (Bereits sein Vater Ludwig Braunfels, Jahrgang 1810, war vom jüdischen Glauben der Eltern zum Protestantismus konvertiert, um Jura studieren zu können.) Die bewusste Hinwendung zum katholischen Glauben wurde für Walter Braunfels weiteres kompositorisches Schaffen zu einer bestimmenden Motivation vieler geistlicher Werke, deren Erfolg bis heute nachwirkt. Stellvertretend wäre das 1922 in Köln uraufgeführte Te Deum sowie die 1927 ebenfalls in Köln uraufgeführte Große Messe zu nennen. Außerdem schrieb er Opern (die 1920 in München uraufgeführten Vögel waren eines der populärsten Stücke dieser Zeit) und zahlreiche Kammermusiken. Ein Resultat der wachsenden Bekanntheit als Komponist war die 1925 erfolgte Berufung zum Gründungsdirektor der Staatlichen Hochschule für Musik in Köln durch Oberbürgermeister Konrad Adenauer. Ab 1931 war Braunfels zusätzlich als Pianist in der Musikalischen Abteilung der Westdeutschen Rundfunk AG (WERAG) tätig.

In den Jahren nach 1925 baute Braunfels die Hochschule durch Berufungen prominenter Künstler wie Eduard Erdmann, Philipp Jarnach und Maria Philippi zu einer tragenden Säule des Kölner Musiklebens aus, bis er am 2. Mai 1933 per ministerieller Anweisung auf der Grundlage des neu erlassenen "Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" aller Ämter enthoben wurde. Es folgte der Notverkauf des Kölner Hauses und ein Umzug nach Bad Godesberg parallel zu seinem Rückzug aus dem öffentlichen Musikleben, worunter er in den folgenden Jahren sehr litt. Im Spätherbst 1937 übersiedelte Braunfels mit seiner Familie nach einem kurzen Aufenthalt in Italien an den Bodensee in die Nähe von Überlingen, wo er in innerer Emigration zurückgezogen lebte, arbeitete und einige verbliebene Privatschüler unterrichtete. Da seine Pension aufgrund der wenigen Dienstjahre klein ausfiel, sicherten zwei befreundete Schweizer Fabrikanten das finanzielle Auskommen der Familie. Gegen seinen zuvor erhobenen Einspruch teilte der Präsident der Reichsmusikkammer Peter Raabe Braunfels am 5. Dezember 1938 den Verlust des Rechts zur öffentlichen musikalischen Betätigung mit, was die künstlerische und menschliche Isolation des Komponisten weiter verstärkte; seine Korrespondenz mit Konrad Adenauer aus diesen Jahren gibt hierüber Auskunft.

Der Freundschaft zum abgesetzten Kölner Oberbürgermeister und späteren ersten Kanzler der Bundesrepublik war es zu verdanken, dass sich Braunfels noch im Herbst 1945 überreden ließ, in sein altes Amt an die Kölner Musikhochschule zurückzukehren und diese ein zweites Mal aufzubauen. In seinem am 12. Oktober 1945 unterschriebenen Dienstvertrag (rückdatiert auf den 1. August) verzichtete er auf Wiedergutmachung und ließ sich nur die vergangenen Jahre bis 1945 als ruhegehaltsfähige Dienstzeit anrechnen. (In einem Gespräch mit dem Verfasser am 16. November 2005 beschrieb Michael Braunfels den Verzicht seines Vaters auf Entschädigungszahlungen als bewusst moralische Geste, sich erlittenes Unrecht nicht finanziell vergelten zu lassen, SMC BraunfelsW.) Wenige Tage später, seine Personalakte vermerkt den 15. Oktober 1945, verließ Braunfels bis zum 1. März 1946 die Stadt in Richtung Überlingen, zum einen aus Protest gegen die britische Besatzungspolitik in Köln und die Absetzung von Adenauer als Oberbürgermeister, zum anderen aufgrund der mangelhaften Versorgungslage in Köln, da in seinem persönlichen Umfeld regelmäßig Hilfspakete veruntreut worden waren, bis seine Tochter Marianne die Haushaltsführung übernahm. Während seiner Abwesenheit übernahm Heinrich Lemacher die Leitung der Hochschule und den Vorsitz des zuständigen Entnazifizierungsunterausschusses, was vielen politisch Belasteten ihren Status an der Hochschule sicherte und einigen, wie etwa dem ehemaligen Direktor Karl Hasse und seinem Stellvertreter Hermann Unger, einen nahtlosen Übergang in den Ruhestand ermöglichte. Nach seiner Rückkehr an die Hochschule im Frühjahr 1946 erschwerten diese alten Seilschaften Braunfels’ Position als Direktor zusätzlich zur schwierigen wirtschaftlichen und organisatorischen Situation im zerstörten Köln.

Walter Braunfels rechnete sich zu einer Generation von Komponisten, bei der zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Frage nach dem Umgang mit der Tradition dur-moll-tonaler Harmonik immer drängender wurde und dabei in die für junge Künstler prägende Phase der Suche nach individuellen künstlerischen Maßstäben fiel. Braunfels entschied sich gegen den Weg der neuen Musik und wies die kompositorischen Konzepte ihrer Protagonisten zurück, um sich statt dessen an Vorbildern wie Bach, Beethoven, Berlioz, Brahms, Bruckner, Liszt und Mozart sowie an moderaten Zeitgenossen wie Pfitzner und Strauss zu orientieren. Künstlerisch fühlte er sich nach dem Ende des Dritten Reiches aufgrund seines Festhaltens an der Tonalität als auch durch die starke Religiosität seiner Werke unverstanden, zumal er seine Schaffenskraft auf den Wiederaufbau der Hochschule konzentrieren musste und wenig Gelegenheit zum Komponieren fand.

Am 31. Juli 1950 trat Braunfels in den Ruhestand und zog zurück nach Überlingen; er verstarb vier Jahre später in Köln.

© Michael Custodis
Quelle: Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit (LexM)

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