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Scoring

2(II=picc).2.2(II=bcl).2(II=dbn)-4.3.2.0-timp.perc(4):tam-t/2cym/SD/TD/BD/tgl-harp-strings

Abbreviations (PDF)

Publisher

B&B

Territory
This work is available from Boosey & Hawkes in der ganzen Welt.

Availability

Uraufführung
10/02/1965
Musik der Gegenwart, Berlin
Radio-Symphonie-Orchester Berlin / Peter Ronnefeld
Composer's Notes

Das Werk ist aus der Grundidee entstanden, mit den Mitteln einer traditionellen großen Orchesterbesetzung Klangfarben als Träger der Form zu komponieren. Der Titel "Flutuationen" deutet das Ineinanderfließen der einzelnen Instrumente zu Klanggruppen und die fließenden Übergänge der Formstrukturen an. Eine großformale Dreiteiligkeit ist jedoch deutlich, wobei dem ersten Teil expositionsartiger Charakter zukommt. Der Mittelteil stellt hierzu einen heftigen Gegensatz dar, gleichsam eine entblößende Entfaltung des Klangmaterials durch Vereinzeln, Kontrapunktieren, Verschmelzen und Akzentuieren. Der verhältnismäßig kurze Schlußteil überträgt einem bisher hintergründig gebliebenen Blechchor die Kraft des Tutti. Strukturen des ersten Teils werden in einem zunehmend verfeinerten Klanggewebe wieder aufgenommen.

Programme Note

Auf Bara – das erste Orchesterstück, das Yun in Europa komponierte – folgte noch im Jahr 1960 die Symphonische Szene. (Dass dieses sehr dicht instrumentierte Werk durch den Malstil von Jackson Pollock inspiriert ist, zeigt, dass Yun zwischen östlichen und westlichen Inspirationsquellen absichtlich schwankte.) Für Streichorchester entstanden dann die Colloides sonores (1961). Der französische Titel basiert zwar auf dem chemischen Begriff des Kolloids; die Titel der drei Sätze bezeichnen aber traditionelle koreanische Instrumente: das zweisaitige Streichinstrument Hogung [Haegûm], das sechsaitige Zupfinstrument Gomungo [Kômun’go] (mit ihm können insbesondere Glissandi erzeugt werden) und das mit Metallsaiten versehene Hackbrett Yanggum [Yanggûm], auf dem – so Yun 1992 – "zarte Tremoli" hervorgebracht werden. 1962 folgte Loyang für Kammerensemble. (Der Name der alten chinesischen Kaiserstadt verweist auf die geographische Herkunft der Musik Isang Yuns, deren nicht nur ideeller Kern die chinesisch-koreanische Hofmusik bildet.) Fluktuationen ist demnach Yuns viertes Orchesterstück; die Partitur wurde 1963 begonnen und am 17. März 1964 in Berlin abgeschlossen.

Wie das "Kolloid" ist auch die "Fluktuation" ein Begriff aus der Chemie, und beide Begriffe sind bezogen auf Füssigkeiten. Ein Kolloid ist ein "Stoff, der sich in feinster, mikroskopisch nicht mehr erkennbarer Verteilung in einer Flüssigkeit oder einem Gas befindet" (Duden, Fremdwörterbuch, 1997). Yun selber erklärt in den Gesprächen mit Luise Rinser 1977 (S. 76f.): "Aus verschiedenen Richtungen sozusagen ziehen sich kleinste Klangelemente zusammen und entwickeln sich organisch, bis sie zu einem vollen Ganzen geworden sind. Dann kommt der Augenblick, in dem dieses Ganze wieder in seine Elemente zerspringt, die nach allen Seiten fliegen und dort, wo sie auf andere kleine Elemente treffen, neue Konstellationen bilden. Diese Verbindungen sind immer wieder auflösbar."

Im Gegensatz zum Kolloid bezeichnet die "Fluktuation" das Schwanken, das hin und her Schwappen von abgekapselten Flüssigkeiten. Und im Unterschied zu den Kristallisations- und Zerfallsprozessen, die Yun mit dem Begriff des Kolloids verbindet, zielt er in Fluktuationen verstärkt auf längere musikalische Entwicklungen, plausiblen Formbau und Zusammenhang im Großen. Bei beiden Werken stehen abstrakte kompositorische Ideen im Vordergrund. Dass programmatische Gehalte hier nicht überliefert sind, heißt jedoch nicht, dass sie bei der Komposition keine Rolle gespielt hätten: "Es gibt immer so irgend etwas, aber ich muss es nicht immer sagen" (Yun 1990).

Das Schwanken oder Fluktuieren übersetzt Yun in die Sukzession alternierender Klanggruppen. Der vergleichsweise klare architektonische Formbau und auch die Art, wie er sein Vokublar in den einzelnen Klanggruppen fast etüdenartig abruft und koordiniert, veranlassten Yun vermutlich zu der Aussage, Fluktuationen sei "technisch" konzipiert und realisiert. Zwei Rahmenteile – T. 1-67 (mit dem durchgehenden Puls von Viertel = 56) und T. 186-219 (mit dem gleichbleibenden Tempo Viertel = 60) – umschließen einen auf kontrastierende Wechsel und wirkungsvolle Steigerungen hin angelegten Mittelteil (T. 68-185). Elf mal ändert Yun im Mittelteil die Tempoangaben: zunächst etabliert er Gegensatzpaare (Viertel 88 – 72, 88 – 72, 60 – 80, 60 – 80), sodann eine durchgehende Beschleunigung (88 – accelerando – 120), die den größten Kontrast zum Schlussteil bildet.

Flächige, lang ausgehaltene Klänge dominieren in den Rahmenteilen. In der ersten Phase des leisen und dunklen Beginns erscheint ein kurzer Flötenklang als erster Licht- und Höhepunkt. In der zweiten Phase kombiniert Yun die Streicher mit Blech- und tiefen Holzbläsern zu einer ersten größeren Klangfläche. Sforzato setzen die Trompeten hier einen kurzen und heftigen Akzent; vom a2 der Oboe aus erfolgt die Artikulation einer ersten Tuttifläche. Streicher, Harfe und Blechbläser bilden dann eine Brücke, ein Yônum, zu den hohen Holzbläsern. Aus der Tiefe (zum Teil geräuchhafte Streichertremoli) erfolgt schließlich ausführlich der erneute Klangaufbau durch die Streicher (mit Harfe und Schlagwerk).

Deutlicher wird das Alternieren der Gruppen im Mittelteil: Unruhig bewegte Holzbläser, knappe Streichereinwürfe; ein kurzes Tutti zielt auf einen heftigen Blechbläserakkord (T. 77). Erneut initiieren die Streicher eine lange Entwicklung wie allmähliche Evolutionsprozesse, die wiederum auf einen Blechbläserakkord (T. 99) zielen. Variierte Wiederholung; ein langer Tuttibläserklang erscheint auf der Symmetrieachse der Komposition (T. 124-130). Yuns Instrumentation als Rhetorik (Erwin Koch-Raphael): Holzbläser, Holz mit Streichern, Holzbläser allein, dann mit Blechbläsern, schließlich ein Tutti (T. 156-161), das vorübergehend zu aufeinander folgenden Klanggruppen ausgedünnt wird. In die turbulente Gleichzeitigkeit der Streicher und Holzbläser wird u. a. ein Blechbläserakkord signalartig eingeblendet.

Als Umschlag von flirrend bewegter Turbulenz zum entschiedenen Machtwort fungiert zuletzt der solistische Blechbläserakkord, der den Schlussteil einleitet. Vorübergehend erklingen hier die rivalisierenden Klanggruppen gleichzeitig, bis Yun das offene Ende einer hohen Streicherfläche überlässt.
Walter-Wolfgang Sparrer (2004)

Recommended Recording
cd_cover

Radio-Symphonie-Orchester Berlin / Peter Ronnefeld
Internationale Isang Yun Gesellschaft IYG 003

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