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Orchesterbesetzung

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Abkürzungsverzeichnis (PDF)

Verlag:

B&B

Vertriebsgebiet
Dieses Werk ist erhältlich bei Boosey & Hawkes in der ganzen Welt.

Verfügbarkeit

Uraufführung
25/03/1976
Festival international, Royan
Siegfried Palm, cello / Orchestre Philharmonique des Pays de la Loire / Friedrich Cerha
Anmerkungen des Komponisten

Mein Konzert für Violoncello und Orchester kann aus drei Blickrichtungen verstanden werden: Instrumentaltechnik, Kompositionsstil und persönliche Motivation.

Als Solokonzert für meinen langjährigen Freund Siegfried Palm gesduieben, also für einen der berühmtesten Interpreten Neuer (im Sinne von experimenteller) Musik, verlangt der extrem schwierige Solopart instrumentaltechnische Spielarten, die in der klassischen Literatur undenkbar und auch in der Cellomusik unserer Tage so noch nicht aufgetreten waren. Es handelt sich um bestimmte, durch Plektrumspiel erreichbare Effekte, um Verbindungen von Glissando und Vibrato in verschiedenen Abstufungen, um häufigen schnellen Wechsel von Flageolett- und Naturtönen, auch kombiniert mit den ebengenannten Vortragsweisen, und andere Anforderungen an die Virtuosentechnik des Interpreten.

Wichtiger als das Experimentieren mit der Technik ist mir die Möglichkeit, durch das Violoncello musikalische Aussagen und emotionellen Ausdruck zu formulieren, das Instrument also in seiner dem Hörer gewohnten Klangschönheit singen zu lassen. Die großen Soloteile, die mehr sind als virtuose Kadenzen, sind für mich ebenso bedeutsam wie die Abschnitte des Werkes, in denen das ganze Orchester in seiner klanglichen Vielfalt und in seiner massierten Kraft auftritt.

In dem Gegen- und Miteinander von Soloinstrument und Orchester erweist sich das Werk als ein Konzert im klassischen Sinne; es zeugt allein schon durch diese formale Anlage für eine Wiederfindung der (europäisch musikgeschichtlichen) Tradition, die für die Entstehungszeit Mitte der siebziger Jahre symptomatisch ist. Zu dieser Traditions-Orientiertheit gehört auch die Betonung melodischer Ereignisse; sie basieren auf so vertrauten Intervallen wie Quarte, Quinte und Oktave, die allerdings ständig mit Klein-Intervallen abwechseln, damit die Schwerpunktbildung im Sinne klassischer Tonalität vermieden wird.

Die konzertante Auseinandersetzung zwischen Solist und Orchester geschieht bei dem Cellokonzert als besonders kontrastreiche Konfrontation: Das Violoncello strebt im Verlauf des Werkes von der Unruhe des Beginns zunächst zu einem an ostasiatische Instrumente erinnernden Solo; der lyrische, von Trauer überschattete Mittelteil führt mit Unterbrechungen zu einer fast zum Ende des Werkes kontinuierlich aufsteigenden, durch Ornamentik umspielten "Hauptton"-Linie, die als zielgerichtet zum Ton "a" der zweigestrichenen Oktave zu deuten ist. Das Orchester dagegen übt kaum Begleitfunktion aus; diese, auch kontrapunktisch eingesetzte Begleitfunktion ist vielmehr einzelnen Orchesterinstrumenten gelegentlich zugeteilt, während das volle Orchester fast ausschließlich als Gegenkraft zum Soloinstrument (im Sinne des Yang-Yin-Konzepts) eingesetzt wird.

Da ich selbst in meiner Jugend Violoncello gespielt habe, lag es für mich nahe, dem Soloinstrument autobiographische Züge zu verleihen. Mein Denken, meine Erlebnisse und meine Gefühle schwingen in diesem Solopart mit, der im Konzertieren mit der Umwelt des Orchesters ein ganzes Leben zum Ausdruck bringt.
Isang Yun, 4. Mai 1978

Über das Werk

Mit dem Cellokonzert, im Auftrag des französischen Secrétariat d'Etat aux Affaires Culturelles entstanden und dem Solisten Siegfried Palm "in Freundschaft" zugeeignet, eröffnete Yun 1976 eine Reihe von Solokonzerten. Während die Konzertanten Figuren (1972) mit der Gegenüberstellung konkurrierender Gruppen als "Vorgriff" auf die Phase der Instrumentalkonzerte zu bewerten sind, markiert das Cellokonzert den Beginn einer neuen Schaffensphase: Gegenüber den früheren "Klangfarbenkompositionen" setzte mit einer neuen Stufe kompositorischer Vorstellungen und ihrer Umsetzung nun auch eine neue inhaltliche Konkretheit ein. So ist das Cellokonzert autobiographisch zu entschlüsseln, den Stoff für Flöten- und Doppelkonzert (beide 1977) bilden koreanische Märchen. Die Gegenüberstellung von Soloinstrument und Orchester, bei Yun stets als Verhältnis Individuum–Gesellschaft gemeint, bringt eine Auflockerung seiner musikalischen Sprache, längere Konzeptionen und ein Mehr an Deutlichkeit. Zudem verwendet Yun erstmals eine persönliche Tonsymbolik, die von dem Ton a als Inbegriff von Reinheit ausgeht.

Äußerlich einsätzig, hat das Cellokonzert im großen drei Abschnitte: Auf den ausgedehnten bewegten ersten Teil, in drei Phasen organisiert, folgt ein langsamer, in sich zweiteiliger Mittelteil (T. 213 – 336), der in einen raschen und knappen Schluß übergeht.

In der Einleitung intonieren hohe und tiefe Streicher "farblos und unartikuliert", wie es in der Partitur heißt, zunächst Terzen und Sexten, die durch Sekundreibungen vorangetrieben werden. Eine fast amorphe oder vorsprachliche Klangwelt entsteht. Die Ausbildung einer zweiten Klangfläche aus "reinen" Oktaven (über f, as und a') wird durch den Einsatz der Bläser abgebrochen. Das Soloinstrument hebt an mit Doppelgriffen aus Quint und kleiner Septim. Diese umfassen im charakteristischen Wechsel tief–hoch den Tonhöhenrahmen C – cis2, Symbol von Entzweiung oder Zerrissenheit. Zwar ist der Stoff des Werks autobiographisch, als Gegenstand oder Ziel meint der Komponist jedoch die Beantwortung der Frage nach dem Sinn. Das rasche melodische Aufwärts, bei Yun stets Geste des Aufbruchs, ist nicht unabhängig von der "Außenwelt" des Orchesters. Es gibt "Helfer", wie Streicher und Piccolo-Flöten, und "Feinde" wie die Blechbläser. Aber Soloinstrument und Orchester "begegnen" sich nicht, sondern stehen einander in Opposition gegenüber.

In der zweiten Phase greift der Komponist – diesmal mit Beteiligung des Soloinstruments – auf die Einleitung zurück. An der Stelle, die dem ersten Soloeinsatz entspricht, antwortet das Cello nun eher "entschlossen'' als hin- und hergerissen: "Col legno battuto" (mit dem Holz des Bogens geschlagen) wird ein Quintgriff intoniert, Symbol eines Härtungsprozesses. Während die erste Phase die Kindheit verarbeite, so der Komponist, erinnere er hier seine frohe Jugend. Im behutsamen sukzessiven Einsatz der Orchesterinstrumente wird ein Prozeß klanglicher Annäherung versucht. Dieser wird abgebrochen durch ein massives Tutti.

Die dritte Phase bringt als Ausdruck der Selbstbesinnung oder eigenen Fragens zwei Monologe des Violoncellos. Diese werden "Pizzicato mit Plektrum" eingeleitet. Dabei erinnert der Klang der mit dem Plektrum angerissenen Cellosaite an den der koreanischen Langzither komun'go. Dem ersten Monolog antwortet ein kurzes, aber brutales Tutti; nach dem zweiten Monolog geschieht wiederum, diesmal deutlicher, ein Assimilationsprozeß, der dann scheitert. Das folgende Tutti meint folgende Katastrophe aus dem Leben des Komponisten: 1967 wurde er vom südkoreanischen Geheimdienst aus Westberlin in die Heimat entführt und schuldlos ins Gefängnis geworfen. (Der Kollaboration mit Nordkorea angeklagt, wurde er gefoltert, wiederholt verurteilt und schließlich nach internationalen Protesten 1969 freigelassen.)

Im Mittelteil verarbeitet der Komponist Erfahrungen seiner Haft in Südkorea. Nach dem ersten großen Monolog des Cellos erinnern Baßklarinette und Altflöte an den abendlichen "Zapfenstreich". Der Einsatz des Tempelblocks verweist auf eilige, in der Nacht organisierte buddhistische Begräbniszeremonien. Im Anschluß an den zweiten großen Monolog bringen Streicher und Holzbläser eine Klangfläche, in der zunächst Vierteltonglissandi hervortreten. Hier hat der Komponist ein Bild auskomponiert: die Vorstellung, daß der Mensch wie ein Boot den Wellen des Ozeans anvertraut sei.

Ein Paukenschlag eröffnet den Schlußteil. "Der verwundete Drache", so der Titel von Luise Rinsers Gesprächsbiographie, sucht im Ringen um innere wie äußere Freiheit nach einer Antwort. Diese erscheint am Schluß der Komposition. Isang Yun erläuterte: "Im Orchester glissandiert die Oboe vom Gis zum A, und dieses A wird von den Trompeten, die für mich in dieser hohen Lage immer etwas Göttlich-Ermahnendes haben, übernommen. Es sind zwei Trompeten. Sie blasen abwechselnd dieses A. Das Cello will es erreichen, aber es gelingt ihm nicht. Es kommt mit seinem Glissando einen Viertelton höher als Gis, aber höher nicht. Es gibt auf. Das unendlich und unfaßbar Hohe, das Absolute, das A der Trompeten, das bleibt bis zum Schluß."
Walter-Wolfgang Sparrer (1986)

Empfohlene Aufnahme
cd_cover

Siegfried Palm, cello / Berlin Radio Symphony Orchestra / Hans Zender
Camerata CM22

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