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Eine Einführung in die Musik Lindbergs von Risto Nieminen

Siebzehnjährig schrieb Magnus Lindberg seine erste Orchesterpartitur, ohne Kompositionsunterricht erhalten zu haben. Unerschrocken und voller Neugier verfolgte er seinen eigenen Weg. Seine Musik baute damals auf post-Webern’schen seriellen Prinzipien auf, gleichsam als gälte es, die Grenzen bestimmter Kompositionstechniken auszuloten. Die theoretischen, extrem komplexen Strukturen forderten die Fähigkeiten der Interpreten heraus, überstiegen sie bisweilen bewusst.

Zu dieser Zeit begann Lindberg Unterricht in Musiktheorie zu nehmen und spielte die klassische Literatur in Klavierbearbeitungen vierhändig mit seinem Lehrer durch. Angeregt durch das Wissen um die Errungenschaften der Meister, schien er förmlich darauf zu drängen, auf neues Gebiet vorzustoßen – ganz im Sinne seines Kompositionslehrers Paavo Heininen, der erklärte: „Wenn ein Komponist nicht von sich sagen kann, etwas getan zu haben, was vor ihm noch niemand getan hat, kann er nicht behaupten, überhaupt etwas getan zu haben.“

Im Jahre 1985 entstand Kraft, eine Studie in Rhythmus und Klang. Damit hatte der junge Lindberg sein Sacre du printemps vorgelegt. Zwar hatte er die Grundstrukturen und Verfahren mit Hilfe eines aufwendigen Computerprogramms errechnet, doch standen diese nicht mehr im Mittelpunkt. Inzwischen ging es Lindberg eher darum, die Möglichkeiten musikalischen Klangs bis an die Grenzen zu treiben – neben traditionsverbundenen klassischen Klängen kamen auch objets trouvés vom Schrottplatz als Instrumente zum Einsatz. Die Musik brach mit rohem, unbändigem Lärm und urtümlicher Energie hervor, ähnlich den Punkkonzerten, die Lindberg in Berliner Clubs erlebt hatte. „Nur das Extreme ist interessant“, erklärte er.

„Das Orchester ist mein Lieblingsinstrument“, bekannte Lindberg, womit sich bestätigt, was auch aus der Liste seiner Werke ersichtlich wird. Aura, aus dem Jahr 1994, ist ein weiteres aufschlussreiches Puzzlestück, das dazu beitragen wird, eines Tages ein vollständiges Bild des Komponisten Magnus Lindberg zusammenzufügen: Als geistiger Erbe von Sibelius zeigt der Bilderstürmer Lindberg, dass auch er den Willen und die Fertigkeit besitzt, sinfonisches Denken in seine Kunst zu integrieren.

Kompositionstechnisch beruht die Musik Magnus Lindbergs auf kompakten harmonischen und rhythmischen Strukturen. Häufig kommt ein Chaconne-Verfahren zum Einsatz, bei dem sich das musikalische Geschehen über einer wiederholten harmonischen Sequenz aufbaut. In den Vordergrund treten die theoretischen Grundlagen jedoch nicht, was dem satten, vor Leben sprühenden Klangbild zu verdanken ist. Die Musik trägt deutlich dramatische Züge, als seien die musikalischen Charaktere Protagonisten eines abstrakten Schauspiels.

In seinen neuesten Werken, insbesondere den Konzerten für Klarinette (2002) und Violine (2006), ist ein klares melodisches Element erkennbar, wie es in Lindbergs früheren Werken eher im Hintergrund stand. Nach gut 30 Jahren kompositorischen Schaffens und 80 Werken ist zu beobachten, dass Magnus Lindberg sich nach wie vor, mit seiner charakteristischen Neugier, in unbekannte Gefilde vorwagt und dabei gleichzeitig seinen Anfängen treu bleibt. Anstatt die Musik anderer Komponisten zu postmodernen Collagen zusammenzusetzen, reflektieren seine Werke eine vielseitige Persönlichkeit, bei der sich aus einer Fülle klanglicher Information Musik-Geschichte herauskristallisiert. Ein wahrhaftes Bekenntnis in Musik.

© Risto Nieminen, 2007
(Herausgeber von Magnus Lindberg (Les Cahiers de l’IRCAM, 1993),Künstlerischer Leiter des IRCAM (1991-1996), Direktor des Helsinki Festivals (1991-2009))

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