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Publisher

B&B

Territory
This work is available from Boosey & Hawkes in der ganzen Welt.

Availability

Uraufführung
07/04/1992
Stadtcasino, Basel
Amati Quartett
Programme Note

Wie in seinen Symphonien variiert Yun, der für seine Werke immer wieder individuelle Formlösungen fand, auch in seinen Streichquartetten bereits äußerlich die Anzahl der Sätze. In dem zweisätzigen Streichquartett IV (1988) und dem einsätzigen Streichquartett V (1990) geht es unkonventionell um Prozesse klanglicher Verschmelzung. Dagegen erfüllte Yun die Konventionen der Gattung im viersätzigen Streichquartett VI (1992) – wie zuvor bereits in dem Violinkonzert I (1981) und der Symphonie I (1982/83) – in der ihm eigenen Sprache von neuem. Traditionell sind die Charaktere der vier Sätze: Pesante, Giocoso, Lamentoso und Animato.

Streichquartett VI entstand nach einer längeren Krankheitsphase Anfang 1992 in Urberg im Schwarzwald und ist dem AmatiQuartett, den Interpreten der Uraufführung, zugeeignet. Zunächst vor allem im Pesante [Schwerfällig, Schleppend] (5/4-Takt) reflektiert Yun sein schweres Asthma-Leiden. Gegen die "Last" von mit Fortissimo-Wucht abwärts gleitenden Akkorden setzt er (zuerst in der Viola, dann in der 2. Violine) das "Licht" knapper, sprechender Aufwärtsmotive. Bedeutsamer noch als das Material ist der rhetorische, deklamierende Gestus, dessen Aufwärtsbewegung Befreiung bedeutet. Der zähe harmonische Rhythmus entspricht dem langsamen Genesungsprozeß. Konventionell ist die Harmonik des Mittelteils: In hohen Lagen exponiert Yun relativ statische Septakkorde, die jedoch durch Triller und Glissandi charakteristisch verwischt werden. Damit will Yun "den Eisblock" der Akkorde, die die Krankheit, die nicht weichen will, symbolisieren, "zum Schmelzen bringen".

Auch für das Giocoso (4/4-Takt) macht er elementares Material sprachfähig. "Thema" ist ein tänzerischer Gestus aus Sextole und Pizzikato-Oktaven. Yun greift hier zurück auf ein Motiv aus dem Violinstück "Das Kaninchen" (1985) des Zyklus Li-Na im Garten, den er für seine Enkelin komponiert hatte. Der musikantische Schwung wird freilich relativiert und gebrochen durch filigrane Oramentik sowie ein gedehntes, die Taktgrenzen verwischendes Seufzermotiv, das er für den Kontrastteil umkehrt.

Das Lamentoso (6/4-Takt) ist vielleicht einer der ersten jener ausgedehnten langsamen Sätze des späten Yun, der – wie Heinz Holliger einmal formulierte – "von den letzten Dingen weiß". Die Aura von Stille und Stillstand erzeugt Yun, indem er die Akkorde des ersten Satzes in die Folge einzelner, "schwermütig" überschriebener Töne zerlegt. Flehende Aufwärtsgebärden, dann lakonisch-sprechende, bald homophon verdichtete Tonwiederholungen erinnern entfernt an Schostakowitsch. Mit dem Weg in die hohen Lagen scheint Yun den Himmel auf Erden berühren zu wollen. Unverhohlen motivisch-thematisch durchsetzt ist kurz vor dem Satzende das musikalische Material der Anschwünge zum lang ausgehaltenen Ton hin: Die Motivik verweist hier auf ein Vertraut-Allgemeines; sie vermittelt Gebrochenheit.

Das Animato (4/4-Takt) formuliert Yun als ein kontrast- und gestaltenreiches Perpetuum mobile. Auffällig sind die rhythmisch-metrischen Bindungen zu einer bisweilen fast tänzerischen Korrespondenzrhythmik, vor deren Eindeutigkeit Yun ansonsten eher zurückscheut. Der Steigerungsprozeß zielt auf Verflüssigung und Dramatisierung: auf den trotz zahlreicher Widerstände vitalen Klang- und Lebensrhythmus.
Walter-Wolfgang Sparrer (1996)

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