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Der internationale Ernst von Siemens Musikpreis geht 2022 an die österreichische Komponistin. Die Auszeichnung für ein Leben im Dienste der Musik ist mit 250.000 Euro dotiert. Die Preisverleihung findet am 2. Juni 2022 im Münchner Prinzregententheater statt.

Mit Olga Neuwirth zeichnet die Ernst von Siemens Musikstiftung eine Künstlerin aus, die mit ihrer Musik radikal neue Wege einschlägt, die der zeitgenössischen Musik ein neues Gesicht verleiht, die sich aber auch einmischt, Stellung bezieht und sich nicht scheut, Missstände anzusprechen. Neuwirth ist eine der einflussreichsten Komponist_innen ihrer Zeit, die in ihren Arbeiten seit den späten 1980er-Jahren feministische Anliegen mit einer multimedialen Praxis verbindet.

Neuwirths einzigartige, alle Genregrenzen überschreitende Klangsprache geht ganz wesentlich auf ihre schonungslose Offenheit gegenüber anderen Kunstformen zurück. Der Film und die Videokunst spielen dabei eine herausragende Rolle. Aber auch von der Literatur, der bildenden Kunst, der Wissenschaft bis hin zur Popmusik hat sie immer wieder Impulse, Stoffe und Techniken anderer Kunstformen für die Neue Musik fruchtbar gemacht. Hierher gehören auch die Inszenierung von Popkultur bei Klaus Nomi oder die enge und langjährige Zusammenarbeit mit Elfriede Jelinek. Gerade in der Zusammenarbeit mit Jelinek hat sich Neuwirth bereits seit den 1980er-Jahren von der ihr zugewiesenen Rolle als Frau in einer männerdominierten Musikwelt erfolgreich distanziert. Zu Neuwirths Ausdrucksformen gehören neben traditionellen Konzertformen und dem Musiktheater auch Installationen, Hörspiele, Theater- und Filmmusiken sowie Fotografien. Beständig löst Neuwirth vermeintlich binäre Kategorien auf; Kategorien wie virtuell/physisch, analog/digital, weiblich/männlich stehen in ihren Werken auf dem Prüfstand. Dadurch werden auch die Grenzen von Genderzuschreibungen sichtbar, ganz besonders 2019 in ihrem Musiktheater und „Opus summum“ Orlando.

Der Einsatz gebrochener, verzerrter Mittel, sowie ihre Forderung nach „androgynen Klängen“ ist bei Neuwirth seit den frühen 1990er Jahren Prinzip und Grundlage ihrer Ästhetik so wie ihrer politischen Einstellung. Das macht ihr Werk angesichts der tiefgreifenden Veränderungen in Gesellschaft, Musikbetrieb und Politik immer noch unbequem.

Besondere Aufmerksamkeit erhielt auch ihre Klang-/Film-Installation … miramondo multiplo …, die für die documenta 12 den komplexen Kompositionsprozess mit allen Verästelungen und Verwerfungen festhält. Neuwirth selbst bezeichnet ihre Kunst als eine „Art-In-Between“, womit sie das Hybride, Offene ihrer Arbeit benennt.

Gleich mehrfach hat Neuwirth Werke für das Musiktheater geschaffen, mit denen sie die Maßstäbe des Genres sprengte und neu definierte. Hierher gehört die surrealistische Multimedia Oper Bählamms Fest (1994/1998) bei dem das digitale Morphing der Stimmen die Möglichkeiten der vokalen Artikulation grundlegend erweiterte. 2002 komponierte sie die Oper Lost Highway nach dem gleichnamigen Film von David Lynch und löste so die Grenze zwischen Film und Oper auf. 2015 schuf Neuwirth für die Donaueschinger Musiktage mit Le Encantadas o le avventure nel mare delle meraviglie ein raumgreifendes Werk basierend auf den wissenschaftich-akustischen Messdaten einer venezianischen Kirche, mit dem sie eines ihrer wichtigsten Vorbilder, Luigi Nono, und mit ihm die Stadt Venedig würdigt.

Gerade im Musiktheater zeigt sich wie vielfältig Neuwirth mit Musik umgeht. In der Beschäftigung mit der emotionalen Wirkung und der Körperlichkeit von Klang spaltet Neuwirth den Klang in seine reale Erscheinung einerseits, seinen Repräsentationscharakter andererseits. Erstmals virulent wurde diese Technik in der 1989 entstanden „Media-Transfer-Komposition“ dialogues suffisants, in der ein Violoncello einem visuell und akustisch aus einem anderen Raum übertragenen Schlagzeug gegenübersteht. Dieser Bruch in den künstlerischen Mitteln und Medien, aber auch die Suche nach „androgynen Klängen“ wurde für Neuwirth seit den frühen 1990er-Jahren zum Zentrum sowohl ihrer ästhetischen Haltung als auch ihrer politischen Einstellung. Das macht ihr Werk – mit Blick auf die tiefgreifenden Veränderungen in der Gesellschaft, im Musikbetrieb und in der Politik – immer noch unbequem.

Neuwirths Klangsprache ist vielseitig, unberechenbar und bisweilen auch rau und scharf. Sie ist Ausdruck ihrer Persönlichkeit und ihres sozialen Engagements. Immer wieder hat sie sich öffentlich ausgesprochen für Toleranz, Offenheit und Gleichberechtigung – in der Musik und in der Gesellschaft. Dabei hat sie niemals die Konfrontation gescheut. Berühmt wurde ihre Rede „Ich lasse mich nicht wegjodeln“, mit der sie 2000 öffentlich gegen die repressive Kulturpolitik der FPÖ in Österreich demonstrierte.

All dies trägt entscheidend dazu bei, dass Olga Neuwirth mit einer der eigenständigsten und aufregendsten Stimmen aus dem unübersichtlichen Chor der aktuellen Komponierszene heraussticht. Sie ist eine der großen Transgressiven in der zeitgenössischen Musikwelt.

Preisverleihung am 2. Juni 2022 im Prinzregententheater München
Die Verleihung des Ernst von Siemens Musikpreises und der Komponist_innen-Förderpreise findet am 2. Juni 2022 im Münchner Prinzregententheater statt. Die Laudatio auf Olga Neuwirth hält die österreichische Autorin Raphaela Edelbauer. Das Ensemble intercontemporain spielt unter der Leitung von Matthias Pintscher Werke der Preisträgerin.
Die Förderpreisträger_innen – Benjamin Attahir, Naomi Pinnock und Mikel Urquiza – werden in filmischen Kurz-Porträts vorgestellt.

Der Ernst von Siemens Musikpreis (EvS Musikpreis) wird seit 1973 von der privaten Ernst von Siemens Musikstiftung (EvS Musikstiftung), die ihren Sitz in der Schweiz hat, alljährlich vergeben.

8. März 2022

> Olga Neuwirth bei Boosey & Hawkes

Foto Olga Neuwirth: Rui Camilo (c) EvS Musikstiftung

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