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Die Staatsoper Hamburg präsentiert am 18. Mai die Uraufführung von Unsuk Chins neuer Oper Die dunkle Seite des Mondes. Bei den fünf Aufführungen steht der scheidende Hamburger GMD Kent Nagano am Pult, die Inszenierung stammt vom Theaterkollektiv Dead Centre.

Für ihre zweite Oper, Die dunkle Seite des Mondes, hat sich Unsuk Chin einem faustischen Stoff zugewandt, das Quantenphysik, Psychoanalyse und diabolische Kräfte miteinander verbindet. Kent Nagano, seit 25 Jahren einer von Chins großen Förderern, dirigiert die Produktion mit unter anderem Thomas Lehman, Bo Skovhus und Siobhan Stagg auf der Bühne; die Inszenierung stammt vom irischen Theaterkollektiv Dead Centre. Im Gespräch für das hauseigene Magazin der Staatsoper Hamburg gibt die Komponistin erste Einblicke in ihren neuen Opern-Zweiakter und geht auf die Inspiration dazu ein.

Was wollen Sie erzählen – mit dem Libretto, mit der Musik?
Zunächst einmal beschreibe ich eine menschliche Tragödie. Und zwar eine wirkliche Tragödie. Das ist nicht das, dass ein Mensch von irgendjemandem verlassen wird sondern dass man von seinen Visionen und seiner Seele und seinen Idealen, alles, was ein Mensch ausmacht, verlassen wird.

Zweitens geht es genauso wie in Goethes Faust um fundamentale Fragen der Menschheit, woher kommen wir, wohin gehen wir, also Fragen, die man nie abschließend wird beantworten können. dass die Menschheit nie würde beantworten können. Nun, wenn ich mich mit Wolfgang Pauli vergleiche, bin ich weder ein Genie noch will ich das Geheimnis des Universums entziffern, aber auch in meinem bescheidenen Rahmen habe ich meine Ideale und kämpfe dafür und bin verzweifelt, da ich weiß, dass ich diese Ideale nie erreichen werde. Aber wie Kieron im Schlussfesang in der Oper sagt, selbst wenn man die Antwort nicht bekommt, lohnt es sich, all die Fragen zu stellen und versuchen, die Antwort zu bekommen, da sich sehr viele schöne Dinge auf dem Wege offenbaren, und davor soll man die Augen nicht verschließen.

Drittens geht es darum, wie man das Böse definiert. Die Dialoge zwischen Mephisto und Faust bei Goethe habe ich immer als Selbstgespräch des Faust interpretiert, und auch in dieser Oper wird es klar, dass das Gute und das Böse unmittelbar zusammenhängen können und voneinander abhängig sind.

Wie ist das Verhältnis der Librettistin Unsuk Chin zur Komponistin Unsuk Chin?
Viele mögen sich wundern, warum man als Komponistin das Libretto selbst schreibt. Natürlich ist das ein Wagnis. Aber der Stoff stammt von mir, die ganze Idee hatte ich im Kopf durchgespielt seit 2017, und es nützt auch dem Arbeitsprozess, dass man parallel arbeitet und nahtlos von dem einem Medium an das andere anknüpfen kann. Ganz am Anfang war es schwierig, weil die Prozesse zwischen dem Komponieren und dem Schreiben unterschiedlich sind, aber es gab einen Punkt, wo beide Dinge zusammenkamen, was eine interessante Erfahrung war. Letztlich ist das nichts Neues, da ich auch bei meinen anderen Vokalwerken nicht selten Textautorin war. Literatur und das Schreiben waren in unserer Familie immer wichtig (viel mehr als die Musik). In meiner Jugend habe ich viel geschrieben und später beispielsweise auch als Musikjournalistin gearbeitet.

Was hat Sie dazu bewogen, die Begegnung von Pauli/Kieron und Jung/Astaroth zum Thema einer musiktheatralen Erzählung zu machen?
Ich interessiere mich sehr für Naturwissenschaften, besonders für Physik, natürlich bin ich wirklich ein Laie, aber das Nachdenken darüber, das ganze kulturhistorische Spektrum, große Wissenschaftlerpersönlichkeiten und ihr Leben, das ist alles äußerst interessant. Auf Wolfgang Pauli bin ich gestoßen, als ich Werner Heisenbergs Buch Der Teil und das Ganze las, und ich fühlte mich sofort von seiner Persönlichkeit und seinem impulsiven Charakter gebannt. Dann las ich das Buch 137: Jung, Pauli, and the Pursuit of a Scientific Obsession von Arthur I.Miller, da wurde sehr gut beschrieben, warum Pauli zu Jung ging und wie ihr Verhältnis war. Miller schrieb selbst, dass diese Geschichte eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Faust-Stoff hat. Mit dieser Idee eine Oper zu machen, reizte mich sofort, weil der Charakter von Pauli – unter Physikern ein Künstler zu sein, seine Obsession mit Träumen, seine extreme Persönlichkeit, seine Eskapaden, die Teilung in ein Tag- und in ein Nachtleben extrem interessant war. Einige biographische Tatsachen und Anekdoten bilden also Bausteine für diese Oper. Der Charakter von Kieron ist meine Vorstellung, wie Pauli gewesen ist oder hätte sein können, auch wenn es natürlich Fiktion ist.

Im Übrigen hat der Stoff unmittelbar mit der Stadt Hamburg zu tun, was mir aber erst im Laufe des Arbeitsprozesses klar wurde. Wolfgang Pauli lebte und lehrte zwischen 1922-1928 in Hamburg, 1925, gebau vor 100 Jahren, konzipierte er in Hamburg sogenanntes Pauli-Prinzip, wofür 1945 schließlich den Nobelpreis erhielt. Die Zeit in Hamburg beschreibt er als die glücklichste Zeit seines Lebens. Ich kam 1985 nach Hamburg, das war die erste Station für mich außerhalb von Korea, die Zeit war allerdings eine von den schwierigsten in meinem ganzen Leben. Mit dieser Oper, die in diesem Jahr 2025 uraufgeführt wird, schliesst sich für mich ein Kreis zu.

Wie planen, wie konzipieren Sie als Komponistin ein so großangelegtes Werk wie eine Oper?
Für mich gibt es keinen Unterschied, ob ein Stück 3 Minuten oder 3 Stunden dauert, weil die strukturellen Herausforderungen sehr ähnlich sind. Der Unterschied zwischen einer Oper und abstrakter Musik besteht einfach darin, dass bei einer Oper die Geschichte schon da ist und diese dann gewissermaßen eine Struktur erzeugt.

An welche Traditionslinien schließen Sie als Komponistin an?
Ich sehe mich als Teil einer internationalen Musikkultur. Darüber hinaus versuche ich meine eigene Wurzeln zu finden als Mensch, und meine Wurzeln sind fest verankert in meiner Musik.

Textpassagen werden gesungen, andere wiederum Melodram-artig gesprochen: Wie entscheiden Sie, welche „Erzählweisen“ zum Einsatz kommen?
Das kommt sehr stark drauf an, welche Inhalte diese Texte haben. Es gibt Texte, die am besten gesungen werden können und andere die unbedingt gesprochen werden sollen. Es kommt auch auf die Situation an. Wenn beispielsweise Kieron in höchster Aufregung schreit, würde es die Situation gar nicht adäquat abbilden wenn er wohlgeformte melodische Linien wiedergeben würde.

Gibt es in der Kompositionsweise, der Musik auch bewusste Referenzen an die Welt der Physik?
Das Modell für die Oper war Wolfgang Pauli, also ein Physiker, aber ich wollte keine Oper über Physik oder Psychologie machen. Oper ist Oper, Fantasiegeschichte, Fiktion. Im Grunde, wenn Kieron Schriftsteller oder Philosoph wäre, der nach Höherem strebt, wäre es auch eine Möglichkeit. Auf der anderen Seite habe ich in manchem der Texte physikalische Phänomene, die ich als Laie verstehe, als Modell genommen, um menschliche Gefühle auszudrücken.

Gibt es etwas, was Sie selbst mit der Figur des Kieron verbindet?
Mir ist es nicht bewusst, aber in den Figuren, die Künstler erschaffen, ist immer ein gewisser Prozentsatz von einem selbst drin, ansonsten würde man sich ja auch gar nicht von diesen Figuren angezogen fühlen.

Das Interview wurde geführt von Angela Beuerle, Dramaturgin an der Staatsoper Hamburg, 2025
 
> Mehr Informationen auf der Homepage der Staatsoper Hamburg

>  Weitere Informationen zum Werk: Die dunkle Seite des Mondes

Fotos: Mond (© Studio Kaviani) / Unsuk Chin (© Bonsook Koo)

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