OASIA
(2025)string quartet
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Sikorski
„Früher hatte ich öfter die Gelegenheit, nach Zentralasien und Fernost zu reisen. Ich war stets fasziniert von dem besonderen Raumgefühl und der Energie, die ich dort erlebte. Nicht weniger prägte mich die Begegnung der Kulturen, die dort nebeneinander existierten. Einer meiner Lieblingsdichter – der Futurist Velimir Khelebnikov – schrieb vor über hundert Jahren ein Gedicht mit dem Titel ‚O Asien‘. Er war ein vielreisender Mann; im Iran nannte man ihn einen ‚weißen Derwisch‘.
‚Oasia‘ hat eine doppelte Bedeutung: ‚Oase‘ und ‚Asien‘.
Das Werk besteht aus sieben Sätzen. Diese Zahl habe ich nicht zufällig gewählt. Laut George Miller symbolisiert diese ‚magische Zahl‘ die Einheit des Universums.
Der erste Satz: Universelle Triller, das Entstehen eines klangvollen Raumes.
Der zweite Satz: Eine Art Beschwörung, ein gewisser ‚Schamanismus‘. Als würde sich ein Schamane um sich selbst drehen. Beginnend mit der ersten Violine fesselt er das gesamte Quartett.
Der dritte Satz: Diese elf Takte waren für mich unerwartet. Sie sind eine Anspielung auf ein Fragment des langsamen Satzes der 9. Sinfonie von Dmitri Schostakowitsch – eine bescheidene Hommage an sein Jubiläum.
Der vierte Satz: Hier habe ich bewusst zwei Muster zweier alter Kulturen vereint: aus der alten Synagogenliturgie und aus dem alten slawischen ‚Znamenny Raspev‘.
Der fünfte Satz: Eine Rückkehr zum Schamanenritual. Alle vier Instrumente werden hier gleichzeitig als ein einziges Instrument eingesetzt.
Der sechste Satz: Hier erscheint die Idee der Zeit, die Idee eines Pendels, die in vielen meiner Werke präsent ist. ‚Raum‘ und ‚Zeit‘ koexistieren; ich konnte dies beinahe körperlich spüren, als ich durch die Wüsten des Fernen Ostens reiste.
Der siebte Satz: Das Quartett ist in zwei Duette unterteilt. Hier kehre ich zum alten Typus des Orientalischen zurück.
Ich erlaubte mir, (in der Bratschenstimme) eine alte Melodie der Bewohner der Arktis zu zitieren. In „Oasia“ wollte ich den gemeinsamen Geist alter Musikkulturen zum Ausdruck bringen und sie zu einem organischen Ganzen zusammenfügen.
Die letzten drei Glockenschläge am Ende unterstreichen den spirituellen Charakter dieses Werkes.
(Alexander Raskatov)