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Ein Portrait im Rahmen unserer Serie: Komponistinnen bei Boosey & Hawkes

Werdegang

In frühester Kindheit vermochte sich Elena Kats-Chernin in Musik auszudrücken, noch ehe sie sprach: Als ihre ältere Schwester Klavierstunden erhielt, konnte Elena sofort jedes Stück nachspielen – nur durch Zuhören, ohne jeden Unterricht.

    Schließlich saß ich stundenlang improvisierend am Klavier, ohne Gefühl für Zeit und Zweck. Das wurde zu meinem liebsten Zeitvertreib. „Lullaby“ war das erste Stück, das ich aufschrieb. Ich wurde ziemlich effizient darin, diesen und jenen meiner ‚Streifzüge‘ zu Papier zu bringen, und schließlich bekamen meine Lehrer an der Sobinow-Musikschule meiner Heimatstadt Jaroslawl das mit. Sie unterstützten mich im Alter von 12/13 Jahren mit Extra-Kompositionsstunden.

Bis heute bekennt sie sich zu einem intuitiven Schaffensprozess. Alle ihre Werke entstehen am Klavier in einem Prozess des Suchens, Ausprobierens und Aussortierens. Nach der harten Schule moderner Kompositionstechniken, vor allem im Rahmen ihrer Studien bei Helmut Lachenmann sowie dem Musikwissenschaftler Richard Toop, erlaubten es ein allgemeiner Wandel der Ästhetik sowie die offene, undogmatische Kultur ihrer zweiten Heimat Australien Elena Kats-Chernin, ihre eigene Stimme zu finden.

    Nach einem Misserfolg mit einem Stück hatte ich fünf Jahre lang die Komposition von Konzertmusik aufgegeben und statt dessen Tanz- und Theateraufführungen mit meinen Klangerfindungen unterfüttert. Daraus ging 1993 schließlich mein Stück „Clocks“ für das Ensemble Modern hervor, das mit meinen bis dahin größten Erfolg bescherte und mich zur Konzertmusik zurückbrachte. Einen weiteren Durchbruch bedeutete meine Partitur zu „Wild Swans“ nach Hans Christian Andersen, von Meryl Tankard 2003 für das Australian Ballet choreografiert.

Mit einem Stück aus dieser Ballettmusik, „Eliza Aria“, wurde Elena Kats-Chernin international einem breiten Publikum auch jenseits des Klassikbetriebs bekannt: Es wurde mehrere Jahre lang für die populäre computeranimierte TV-/Kino-Werbekampagne „For the Journey“ des britischen Finanzdienstleisters Lloyds verwendet. Heute blickt Elena Kats-Chernin auf ein umfangreiches Œuvre in allen Gattungen klassischen Komponierens zurück, so dass ihr die Auswahl besonderer Highlights schwer fällt:

    Ich liebe alle meine Projekte und weiß vorher nie, wohin sie mich führen werden und ob das jeweils entstehende Stück danach weitere Aufführungen erleben wird. Eine leere Seite vor mir zu sehen, beglückt mich – eine Gewissheit völliger Freiheit. Es liegt soviel Potential darin!

Anregungen

Elena Kats-Chernins Stil kann als persönliches Amalgam verschiedener Einflüsse beschrieben werden; hierzu gehören Elemente der Minimal Music, Tanzhaftes wie Ragtime, Charleston, Tango oder Walzer, klassische Vorbilder vor allem aus der russischen Musik wie Tschaikowski oder Rachmaninoff, aber auch aus dem Barock, sowie jüdische und andere Volksmusiktraditionen. Sie bekennt sich zur Tonalität.

    Als einer meiner Söhne schwer erkrankte, beeinflusste das mein ganzes Dasein. Damals begannen sanftere Linien und Klänge meinen Stil zu durchdringen. Ich fing an, sangbare Melodien zuzulassen. Ich drücke mich in meiner Musik gern lakonisch aus, beschränke mich hinsichtlich Tonumfang, Harmonien und Rhythmen und schaue, wohin mich das bringt. Ich habe das Gefühl, die Tonsprache immer noch zu entwickeln und ändere gern die Richtung, in die meine Musik gehen will. In jüngster Zeit begeistere ich mich wieder für Dissonanzen.

Inspiration kann ebenso den Dingen um sie herum entspringen –

    Ideen kommen von allem und von überall her. Das kann ein einzelnes Wort sein, das jemand von sich gibt, oder eine Geschichte, die ich einmal gehört habe, oder eine Blume, die ich sehe ...

– wie der Musik, sogar ihrer eigenen:

    Manchmal sehe ich ein Orchesterstück von mir an und spiele ein beliebiges Teilchen einer beliebigen Stelle, mache ein Pattern daraus. Es ist eine Art Spiel, dem ich ohne jeden Zwang nachgehe, ein Stück zu schreiben. Doch manchmal kommt bei diesen Übungen etwas wirklich Nützliches heraus. Ich bin immer wieder fasziniert davon, wieviel bisher nie notiertes Material noch möglich ist!

Projekte

Dem kommunikativen Element ihrer Tonsprache, ihrem eingängigen, unprätentiösen Stil entspricht ihr offenes, umgängliches Wesen. In kreativem Austausch mit anderen Menschen fühlt sie sich am wohlsten, auch beim Komponieren.

    Es bringt mich weiter, wenn ich mit jemandem arbeite, der oder die sagen kann: „Spiel das Bruchstück nochmal, das du vor einer Minute gespielt hast!“ Oder: „Kannst du diese und jene Linie weiterentwickeln?“ Ich spreche bestens auf Impulse an, die andere mir hinwerfen.

Viele Stücke entstanden für prominente Klangkörper, Solist*innen, Opern- oder Tanzkompanien. Texte oder Ballettszenarios geben Elena Kats-Chernins Musik den strukturellen Rahmen. Auch rein Instrumentales folgt oft einer imaginierten Handlung.

Die Welt, in der wir leben, hallt in ihrer Musik wider. „Symphonia Eluvium“ gedenkt der Flutkatastrophe von Queensland 2011 und verwendet Worte der damaligen Landeschefin Anna Bligh; „Human Waves“ für Chor und Orchester, das im Juni 2020 in Sydney uraufgeführt wird, thematisiert Migration und Diversität in der australischen Gesellschaft. Die junge Generation liegt Elena Kats-Chernin besonders am Herzen, auch bei anderen aktuellen Uraufführungen: einem neuen Orchesterwerk für das Melbourne Youth Orchestra sowie nicht weniger als drei Kinderopern, die in der Spielzeit 2019/20 aus der Taufe gehoben werden.

*

Elena Kats-Chernin – ausgewählte Werke bei Youtube:
Big Rhap für Orchester: Anhören
Eliza Aria (Lloyds Werbung): Anschauen
Clocks für Ensemble: Anhören
Russian Rag für Klavier: Anhören
Menschen am Sonntag Stummfilmmusik: Ausschnitt

> Ausführliche Youtube-Playlist Elena Kats-Chernin
> Weitere Hörbeispiele
> Werkverzeichnis

Foto: Elena Kats-Chernin (© Jacintha Nolte)

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