UA von Steve Reich: Jacob’s Ladder
Reichs neues Werk für großes Ensemble mit Stimmen wird in diesem Herbst bei den New Yorker Philharmonikern zusammen mit Synergy Vocals uraufgeführt. Im Februar kommt das Werk nach Paris, als Höhepunkt einer großen Steve-Reich-Retrospektive beim Festival Présences 2024.
Am 5.–7. Oktober erklingt in New York erstmals Steve Reich Jacob’s Ladder, ein neues Werk für großes Ensemble und Stimmen auf biblische Texten. Die Uraufführung bestreiten die Musiker*innen des New York Philharmonic und Synergy Vocals unter der Leitung von Jaap van Zweden. Jacob’s Ladder entstand im gemeinsamen Auftrag des New York Philharmonic (Musikdirektor: Jaap van Zweden), von BBC Radio 3, der Fundação Casa da Música, des Istanbul Music Festival und Borusan Istanbul Philharmonic Orchestra, der Queen Silvia Concert Hall und O/Modernt, von Radio France sowie dem Vancouver Symphony Orchestra. Die europäische Erstaufführung findet am 6. Februar 2024 im Rahmen einer einwöchigen Retrospektive der Musik von Steve Reich beim Pariser Festival Présences statt.
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Mit Jacob’s Ladder wendet sich Reich ein weiteres Mal der hebräischen Bibel zu. Weitere Beispiele für von der Schrift angeregte Werke Reichs sind jüngst Traveler’s Prayer oder, älteren Datums, Tehillim. In dem neuesten Stück nun wird Genesis 28,12 vertont, wo eine Vision beschrieben wird, die dem biblischen Patriarchen Jakob widerfuhr:
Da hatte er einen Traum:
Siehe, eine Treppe stand auf der Erde,
ihre Spitze reichte bis zum Himmel.
Und siehe: Auf ihr stiegen Engel Gottes auf und nieder.
Reich erläutert:
„Die Jakobsleiter verlangt nach einer Deutung. Das Bild ist fesselnd und doch sehr offen. William Blake zeichnete sie als gewundene Treppe; in Bruegels ‚Turm zu Babel‘ sieht man überall Leitern. Auch in den späten Gemälden von Philip Guston gibt es geheimnisvolle Leitern. Es gibt alle möglichen Interpretationen von Leitern. Aus Alltagsgegenständen werden kraftvolle Sinnbilder, die in die Unendlichkeit ausstrahlen.“
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Das etwa 20 Minuten lange Stück für großes Ensemble plus zwei Soprane und zwei Tenöre ist in vier kurze Abschnitte gegliedert (in denen jeweils eine der vier Textzeilen vertont ist), gefolgt von vier längeren Abschnitten, welche die vorangehenden vertiefen und weiterentwickeln. Reich verwendet das Bild der „Leiter“ recht frei, um melodische, weitgehend von den Ensembleinstrumenten bestimmte Bewegungen zu generieren.
Er erläutert:
„In Jacob’s Ladder gibt es etwas mehr Instrumental- als Vokalmusik. Es war von Anfang an klar, dass ich den Instrumenten freien Lauf lassen würde. Die Instrumentalmusik interpretiert die Bewegung der Boten/Engel, die auf einer Leiter (oder Leitern) zwischen Himmel und Erde auf- und absteigen oder innehalten; eine musikalische Interpretation ohne Worte. Doch im letzten Abschnitt, wenn der konstante 16tel-Puls sich zu Achteln und schließlich zu Vierteln verlangsamt, verbreitern sich Vokalstimmen und Instrumente gemeinsam zu einem stillen, finalen Haltepunkt.“
Der Komponist weist auch auf eine Verbindung zwischen Jacob’s Ladder und seinem vorangehenden, 2020 komponierten Stück Traveler’s Prayer hin: „Beide Stück sind miteinander verwandt – sie stehen repräsentativ für diese Phase meines Lebens.“ Traveler’s Prayer, ein zutiefst spirituelles Werk, das sich mit der Sterblichkeit und der Reise vom Diesseits ins Jenseits beschäftigt, wurde von der New York Times gelobt als „ein Werk von bemerkenswerter Sparsamkeit und Zurückhaltung ... so weise, schön und konzise wie jeder Moment in Beethovens späten Quartetten“; und die Los Angeles Times urteilte: „Der Ton der Partitur, von der ersten bis zur letzten Note, ist der anhaltender Erhabenheit.“
Die Uraufführung von Jacob’s Ladder im Oktober 2023 ist Teil einer Reihe von Konzerten, mit der das New York Philharmonic Orchestra Jaap van Zweden in seiner letzten Saison als Chefdirigent ehrt, mit Aufführungen von Komponisten, die der Dirigent im Laufe seiner Amtszeit gefördert hat. 2019 leitete van Zweden die umjubelte New Yorker Erstaufführung von Reichs Music for Ensemble and Orchestra, von der New York Times für ihre „kraftvolle Intensität“ gepriesen.
Die europäische Erstaufführung von Jacob’s Ladder findet Anfang 2024 im Maison de la Radio et de la Musique in Paris statt mit dem Ensemble intercontemporain und Synergy Vocals unter der Leitung von George Jackson. Sie wird der Höhepunkt einer großen Retrospektive sein, die im Rahmen des Festival Présences vom 5. bis 11. Februar präsentiert wird. Während dieser Woche wird Reichs Musik in zwölf Veranstaltungen erklingen, unter anderem mit dem Ensemble intercontemporain, Synergy Vocals, der Colin Currie Group, Roomful of Teeth sowie dem Orchestre National de France. Ebenso wird das Hallé Orchestra im britischen Manchester ein Reich-Festival mit drei Konzerten veranstalten, darunter eine Aufführung von Electric Counterpoint mit dem Radiohead-Gitarristen Jonny Greenwood (1. bis 3. Februar 2024).
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Foto: Steve Reich © Kevein Leighton
