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Die dunkle Seite des Mondes
(Dark Side of the Moon) (2024-25)Libretto von der Komponistin, Mitarbeit Kerstin Schüssler-Bach (dt.)
2S,CT,2T,Bar,BBar; mixed chorus;
3(II=picc,III=afl).2(II=corA).3(II=Ebcl,III=bcl).2(II=dbn)-4.3.2.btrbn.1-perc(4):I+II=xyl/vib/glsp/tub.chime/waterphone/cym(med)/pair of cyms(lg)/2tam-t(med,lg)/mark tree/sistrum/flex/tgl/tamb/whip/guiro/sand box/maracas/4gong; III+IV=crot/bass marimba/3timp/dobaci(lg)/cym(lg)/pair of cyms/tamb(sm)/tgl/guiro/BD/SD(lg)/3tom-t/thunder sheet(lg)-harp-pft(=cel)-accordion-strings;
on-stage: accordion-db
Abbreviations (PDF)
Boosey & Hawkes
Staatsoper, Hamburg
Thomas Lehman/Bo Skovhus/Siobhan Stagg/Dead Centre, director
Conductor: Kent Nagano
Company: Hamburgische Staatsoper
Dr. Kieron, Wissenschaftler | Bariton |
Meister Astaroth, Seelenheiler | Bass/Bassbariton |
Miriel | Sopran |
Fremder/Schatten, Traumfigur | Tenor |
Anima, Traumfigur | Countertenor |
Das chinesische Mädchen, Traumfigur | Sopran |
Cornelius, Kierons Assistent | Tenor |
Dr. Haubenstock, Dr. Spinberg, Dr. Pulski, Kollegen und Studenten | gemischter Chor |
Dr. Kieron ist ein Naturwissenschaftler, der es durch seine bahnbrechenden Forschungen im Bereich Physik und Astronomie zu weltweitem Ruhm gebracht hat. Trotz seiner unangefochtenen Stellung ist er von starker Wissbegierde und unerschöpflichem Forscherdrang getrieben.
Von seinen Kollegen wird er wegen seiner Brillanz respektiert und beneidet, aber wegen seiner Scharfzüngigkeit und seiner schonungslosen Kritik gefürchtet und zutiefst gehasst. Man nennt ihn „Geißel Gottes“. Im Gegensatz zu seinem vor Selbstbewusstsein strotzenden Auftreten ist Kieron eine fragile, innerlich zerrissene Persönlichkeit. Und er verbirgt einige Geheimnisse, von denen keiner in seiner Umgebung eine Ahnung hat. Er hat einen Hang zum Irrationalen. Seine Person strahlt eine mysteriöse Energie aus, so dass vieles, was er anfasst, spontan kaputt geht, seien es experimentelle Apparate oder menschliche Beziehungen.
Niemand ahnt, dass er jede Nacht in seinen Träumen von drei wiederkehrenden Wesen, rätselhaften Zahlen und geheimnisvollen Symbolen heimgesucht wird, die er mit unerträglich intensiven Gefühlen erlebt. Von diesen Erscheinungen erhält er seine Visionen, die er für die Wissenschaft nutzbar macht – die wesentliche Grundlage seines Erfolgs.
Szene 1:
Kieron diktiert seinem Assistenten Cornelius einen Brief an seinen Kollegen Dr. Spinberg: ein brutaler Verriss über dessen Arbeit. Er beleidigt auch Dr. Raubenstock, einen anderen Kollegen, der ihn in seinem Büro aufsucht, und macht sich über die bevorstehende Heirat von Cornelius lustig.
Studenten und Doktoranden kommen herein und bewundern sein Genie. Kieron kritisiert ihre Arbeiten schonungslos und wirft sie aus dem Büro. Alleine gelassen, versinkt er in quälende Gedanken über seine Träume und seinen Wissensdrang.
Szene 2:
Kieron lebt ein Doppelleben. Am Tag hochgeachteter Wissenschaftler, taucht er nachts in rastloser Suche nach menschlichem Glück in die dunkle Unterwelt ein. Er betritt eine schäbige Bar.
Betrunken flirtet er mit einigen Frauen, will aber sein Inkognito nicht lüften. Er behauptet, absurde Jobs wie Spaghettipflücker oder Bananenkrümmer zu haben. Als er die Gäste beleidigt, wird er aus der Bar geworfen. Miriel findet ihn. Sie ist eine junge Frau, die seit einiger Zeit in dem Viertel lebt. Täglich muss sie das nötige Geld für ihren Morphiumkonsum beschaffen, so fühlt sich zutiefst traurig und gejagt von ihrer Sucht. Sie hatte eine kurze, leidenschaftliche Beziehung mit Kieron ohne zu wissen, wer er wirklich ist und wie er heißt. Die Beziehung wurde von Kieron abrupt beendet, ohne dass er einen Grund nannte. Trotzdem empfindet sie immer noch tiefe Zuneigung für ihn. Denn sie vermutet in seinem Inneren eine ähnliche seelische Notlage wie bei sich selbst.
Miriel versucht, Kieron zu helfen. Er aber wehrt sich heftig dagegen und befiehlt ihr, sich zu ihrem eigenen Wohl von ihm fernzuhalten. Zögernd verlässt sie ihn. Kieron denkt über seine Einsamkeit nach: „Der Mond ist nicht derselbe, den Adam betrachtete. Über Milliarden Jahre lang wurde er gefüllt mit Sehnsüchten und Klagen. Hinter dem hellen Schein verbirgt sich eine dunkle Seite des Mondes, und diese ist voll von Narben und nicht geweinten Tränen. Der Boden ist übersät von Scherben des Mondscheins, und ich gehe mit nackter Seele darin spazieren.“
Szene 3:
Im Schlaf erscheinen Kieron drei Traumgestalten: das Lichtwesen, Anima und ein lichtes Mädchen. Andere dunkle Gestalten suchen ihn heim. Kieron findet Erfüllung in diesen seltsamen Visionen, aber gleichzeitig sucht er nach dem Schlüssel, um sie zu verstehen. Cornelius erinnert ihn daran, dass es höchste Zeit ist, zum Institut aufzubrechen.
Szene 4:
Kieron hält die Begrüßungsrede für Dr. Spinbergs Vortrag, kritisiert und beleidigt ihn jedoch erneut. Überraschend betritt Miriel den Seminarraum. Kieron ist das sehr peinlich und gibt sie als seine Putzfrau aus. Beiläufig erwähnt er, dass er kürzlich geheiratet hat und sein Haushalt in Unordnung ist. Da seine Kollegen ihm dieses Täuschungsmanöver nicht abzunehmen scheinen, wechselt Kieron sofort das Thema. In einem ungewöhnlich zuvorkommenden Ton ermutigt er alle Anwesenden, ihre Forschungen fortzusetzen.
Kieron ist mit Miriel allein. Sie hat seinen richtigen Namen herausgefunden und weiß, wo er zu finden ist, da er seine Brieftasche in der Bar verloren hat. Sie ermutigt ihn, offen für ihre Liebe zu sein. Aber er bittet sie erneut, zu gehen und ihn zu vergessen.
Kieron muss sich eingestehen, dass er mit all diesen seelischen Belastungen – seiner Frustration als Wissenschaftler, seiner Einsamkeit und seiner inneren Zerrissenheit – allein nicht fertig wird. Verzweifelt ruft er nach Hilfe.
Szene 5:
Kieron sucht den „Seelenheiler“ Meister Astaroth auf, der von seinen Patientinnen umringt ist. Astaroth erkennt ihn sofort und gibt sich als mindestens ebenbürtiger Gelehrter aus. In einem scharfen Wortgefecht will Astaroth seinen skeptischen neuen Kunden von seinen Heilmethoden überzeugen. Kieron kann seine Verachtung des „Scharlatans“ kaum überspielen. Astaroth dagegen berechnet den Nutzen, den er von einem so außergewöhnlichen Patientin haben könnte. Es gelingt ihm, dass Kieron sich ihm zögernd öffnet, sich verstanden fühlt und schließlich sein Herz ausschüttet. Kieron erzählt von seinen Träumen und den Erscheinungen. Astaroth ist fasziniert und verspricht ihm, dass er durch seine Hilfe das Geheimnis des Universums entschlüsseln kann und nie mehr einsam sein wird. Die Bedingung ist, dass Kieron ihm alle seine Träume berichtet. Kieron willigt ein unter der Bedingung, dass niemand von ihrer Verbindung erfährt. Sie schließen einen Pakt.
Szene 6:
Kieron träumt: Er ist im Foyer eines Theaters und verirt sich in der Garderobe. Dort trifft er auf Astaroth, der ihn ignoriert. Panisch durchwühlt Kieron die Garderobe.
Dann sieht er, unerreichbar für ihn, das Lichtwesen, Anima und das lichte Mädchen. Sie bleiben in einer Sphäre, zu der Kieron keinen Zugang hat.
Szene 7:
Kierons Kollegen Dr. Spinberg, Dr. Pulski und Dr. Raubenstock diskutieren über einen wichtigen Staatsauftrag. Angesichts der instabilen weltpolitischen Lage sollen sie eine ultimative Bombe entwickeln, die der Welt endlich einen langersehnten Frieden bringen soll. Sie stehen unter Zeitdruck, weil sie den Gegnern zuvorkommen müssen. Für dieses Vorhaben sind sie auf die Ideen Kierons angewiesen, obwohl sie ihn nicht ausstehen können.
In seinem Arbeitszimmer grübelt Kieron, wo Astaroths Antwort bleibt. Als die Kollegen ihn für den Bau der Bombe gewinnen wollen, ist er entsetzt und will ablehnen. Sie bedrängen ihn weiter. Um sich aus der Situation zu retten, kündigt er an, ihm sei es gelungen, eine bahnbrechende Theorie zu veröffentlichen, aus der sie sich bedienen können.
Doch seit sich Kieron mit Astaroth zusammengetan hat, verlieren seine Träume ihre leuchtenden Kräfte. Damit versiegt auch die Quelle seiner Kreativität. Kieron fühlt sich verraten.
Szene 8:
Panisch sucht Kieron Astaroth auf und berichtet über seinen desaströsen seelischen Zustand. Astaroth speist ihn mit leeren Erklärungen ab. Kieron erinnert sich schmerzlich an Miriel, aber Astaroth wischt auch diesen Gedanken beiseite. Umso mehr interessiert er sich für das Projekt der Bombe und kommentiert zynisch Kierons Weigerung, daran mitzuwirken. Er verlangt von ihm, sich öffentlich zu ihrer Verbindung zu bekennen.
Szene 9:
Kierons Kollegen im Institut sind inzwischen ungeduldig geworden, weil er seit langem keine Impulse mehr geliefert, geschweige denn die angekündigte ultimative Theorie enthüllt hat. Sie fragen sich, ob er überhaupt arbeitet und brechen in sein Haus ein. In seinem Arbeitszimmer stoßen sie auf seltsame Formeln und Texte. Als sie entdecken, dass Kieron mit Astaroth korrespendiert, machen sie sich über seinen unwissenschaftlichen Hang zur Magie lustig. In den Papieren finden sie auch seinen wahren Namen: Pascheles. Sie wollen ihn zur Rede stellen.
Als Kieron nach Hause kommt, sieht er fassungslos, dass sein Arbeitszimmer völlig durchgewühlt wurde. Voller Verzweiflung und Panik sucht er in den Bars und Kneipen des Rotlichtviertels nach Miriel. Sie erscheint, ist aber für ihn unerreichbar und verabschiedet sich aus seinem Leben.
Szene 10:
Kieron träumt. Er begegnet dem Lichtwesen, Anima und dem lichten Mädchen, das ihm eine Botschaft senden will. Astaroth drückt dem lichten Mädchen die Kehle zu und verschwindet mit ihr. Dunkle Gestalten bedrohen Kieron. Astraroth treibt das Lichtwesen, Anima und das lichte Mädchen gefesselt vor sich her. Kieron erkennt, dass er von Astaroth die ganze Zeit manipuliert wurde. Er will ihn töten, aber Astaroth offenbart ihm, dass er lediglich Kierons eigenes Spiegelbild ist, das er selbst herbeigerufen hat. Astaroth fesselt auch ihn und zieht alle in die Dunkelheit.
Unsuk Chin hat sich für ihre zweite Oper vom Leben und Wirken des legendären Physikers Wolfgang Pauli und dessen Beziehung zum Psychiater Carl Gustav Jung inspirieren lassen. Ein Fauststoff des 21. Jahrhunderts.
dramatisch