
Boris Klusner
d. 21 May 1975, Komarowo
Boris Kljusner wurde am 2. Juni 1909 in der südrussischen Stadt Astrachan am Kaspischen Meer geboren. Nach der Schulausbildung ging er nach Leningrad, um dort am Konservatorium von 1937 bis 1941 bei Michail Gnessin Komposition zu studieren. Dort entwickelte er ähnlich wie der drei Jahre ältere Dmitri Schostakowitsch ein besonderes Interesse an der jüdischen Musikkultur. Nach dem Abschluss seiner Studien blieb er Michail Gnessin eng verbunden. Von 1941 bis 1945 kämpfte er in der Roten Armee und gelangte nach dem Kriegsende nach Wien. In der Zwischenzeit hatten sich sein Kompositionslehrer Gnessin sowie Dmitri Schostakowitsch und Isaak Dunajewski dafür eingesetzt, dass er den Armeedienst aufgeben und nach Leningrad zurückkehren konnte. In der nach dem Krieg aufkeimenden Formalismusdebatte der sowjetischen Kulturpolitik bezog er Stellung gegen die Kritik vor allem an Dmitri Schostakowitsch und geriet selbst in Konflikt mit den Behörden. Zu diesem Zeitpunkt war Kljusner bereits im Vorstand des Leningrader Komponistenverbandes. Als 1952 seine Inhaftierung drohte, zog er sich zunehmend zurück, ohne indes seine Positionen zu verleugnen. Neun Jahre später, als in der Chruschtschow-Ära längst eine Entspannung eingetreten war, trat er aus dem Komponistenverband aus.
Kljusner schrieb Sinfonien, Instrumentalkonzerte wie etwa das besonders reizvolle Konzert für zwei Violinen und Orchester, Kammermusik und Filmmusik. Die Filmmusik war ein Genre, das den Komponistinnen und Komponisten in der Sowjetunion zu jener Zeit ein gewisses Maß an Freiheit gewährte, weshalb nicht nur Schostakowitsch und Prokofjew, sondern auch die nachfolgenden Generationen (u.a. Alfred Schnittke oder Sofia Gubaidulina) dazu gewichtige Beiträge leisteten.
Ähnlich wie Schostakowitsch knüpfte auch Kljusner stilistisch an Gustav Mahler an. Seine Musik ist von großer Expressivität geprägt und meidet trotz der Treue zur Tonalität keineswegs die Dissonanz. Vor allem im sinfonischen Werk experimentierte Kljusner zuweilen auch mit Zwölftontechnik oder Clustern und war stets offen für ungewöhnliche Instrumentalbesetzungen unter Einbeziehung etwa diverser Schlagzeuginstrumente, der E-Gitarre oder sogar einer Orgel.
Sein Johann Sebastian Bach gewidmetes Konzert für zwei Violinen und Orchester greift nicht etwa barocke Kompositionsstrukturen auf oder bezieht sich in Zitaten direkt auf Bach und dessen polyphone Satzkunst. Es ist ein vollständig selbständiges Werk in der ureigenen, vor allem im ersten Satz sehr elegischen musikalischen Sprache Kljusners. Und es ist ein Beispiel für Kljusners brillante Instrumentationskunst.
In den 1950er und 1960er Jahren wurden Kljusners Werke unter anderem von den Leningrader Philharmonikern unter Leitung Jewgeni Mrawinskis auch auf Schallplatte eingespielt.
Am Ende seines Lebens zog sich Boris Kljusner immer mehr zurück und verbrachte seinen Lebensabend in dem Strandort Komarowo nahe St. Petersburg, wo er 1975 im Alter von 66 Jahren, im selben Jahr wie Schostakowitsch, verstarb. Einige seiner Bewunderer wie die russischen Komponisten Alexander Wustin und Sergej Slonimski widmeten seinem Andenken eigens Werke. Wustin vertonte in seinem 1977 komponierten Werk „In memoriam Boris Kljusner“ Texte des zu Stalins Zeit verbotenen Dichters Juri Olescha. Sergej Slonimski folgte 2000 mit einem „Trio in memoriam Boris Kljusner.