Sikorski
„Seit Jahren schon beschäftigt mich die Idee zu einem Werk für Frauenstimme und Orchester mit dem Titel ‚Das Lied von den zwei Erden‘. Natürlich denkt man dabei sofort an Gustav Mahler, und das ist auch nicht verkehrt. Doch die Verbindung zu Mahler ist nicht sehr stark. Mein Text, den ich selbst schreibe, nimmt seinen Ausgang von Jesaja 66: ‚Denn siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken und sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird‘. Im zweiten Petrusbrief wird diese prophetische Verheißung wieder aufgenommen: ‚Wir warten aber auf einen neuen Himmel und eine neue Erde nach seiner Verheißung, in denen Gerechtigkeit wohnt‘. Die Dualität zwischen der alten und der neuen Erde spielt dabei für mich eine große Rolle – auch vor dem Hintergrund einer Generation, die sich aktuell ‚die letzte‘ nennt und sich den Slogan ‚There is no planet B‘ auf die Fahnen geschrieben hat. In dem etwa halbstündigen Werk ist dem Sopransolo ein Solo-Instrument zur Seite gestellt: die Kannel, die für die traditionelle Musik Estlands so wichtige Brettzither, die eng verbunden ist mit der Kultur der finno-ugrischen Stämme im Baltikum, in Finnland und im Nordwesten Russlands. Sie ist sehr zart und sehr konkret mit einer Region auf der alten Erde verbunden. Aber sie kann trotz ihres Alters und ihrer langen Geschichte genau wie das symphonische Orchester und die menschliche Stimme immer wieder Neues sagen.“ (Jüri Reinvere)