Johannes Boris Borowskis neuer Chorzyklus The Waves

Johannes Boris Borowski hat sich zuletzt verstärkt der Komposition für die menschliche Stimme zugewandt. Im Februar hat sein neuer Chorzyklus nach Viriginia Woolf in Stuttgart und Amsterdam Premiere – ein Auftrag des SWR Vokalensembles.
The Waves – den Titel teilt das Werk mit Woolfs 1931 publiziertem experimentellen Roman, der erzählende, theatrale und lyrische Elemente in sich vereint. Aus Woolfs oft poetisch rhythmisierter Prosa hat Borowski neun Gedichte destilliert. Sie sind die Grundlage für neun A-cappella-Miniaturen von insgesamt gut einer Viertelstunde Dauer, die dem Assoziationsraum und der Klanglichkeit der literarischen Vorlage nachspüren. Sie bedienen sich hierzu differenzierter Satztechniken, von homophonen über wellenartige und dialogische Teile bis hin zu Sprechgesang, bisweilen aufgefächert in bis zu sechs Stimmen je Gruppe – auch dies aus dem Woolf’schen Text abgeleitet:
„Im Roman gibt es insgesamt sechs Personen, drei Männer und drei Frauen, die abwechselnd sprechen oder denken, die aber auch so etwas wie eine große Gesamtpersönlichkeit bilden. Es könnte auch eine einzige Person sein, die über ihr Leben schreibt, über Situationen und unterschiedliche Bereiche ihres Körpers und Menschseins“, erklärt Johannes Boris Borowski im Interview mit der SWR-Redakteurin Martina Seeber. In der bewusst meist durchhörbaren Behandlung des ‚Chorkörpers‘, die den Text für die Zuhörenden verständlich bleiben lässt, zeigen sich Achtung und Faszination des Komponisten vor Woolfs Wortkunst: „Ähnlich wie beim Hören von Musik werde ich beim Lesen von Wellen in einen Strom aus Gedanken geworfen, Gedanken der Figuren, mit denen ich mich vermische.“ Durchmessen wird, mit der Schilderung von Sinneswahrnehmungen, Natureindrücken, mit Assoziationen und mit philosophischen Überlegungen, die ganze Spanne eines Menschenlebens von der Kindheit bis zu einem abschließenden „O Death!“
Die Uraufführung von The Waves findet am 22. Februar in der Evangelischen Kirche Stuttgart-Gaisburg statt; das SWR Vokalensemble unter der Leitung von Marcus Creed wiederholt das Programm am Folgetag in Schwäbisch Hall sowie, dann mit der niederländischen Erstaufführung der Woolf-Vertonung, am 27. Februar im Amsterdamer Muziekgebouw.
Zuvor, am 13. und 14. Februar, kommt in Konzerten des Ensemble Aventure eine weitere Vokalkomposition von Johannes Boris Borowski zur Uraufführung: Dreh dich nicht um ist eine Art dreiteilige ‚Scena‘ für Sopran und Klavier und beruht auf einer eigenen Dichtung. Der Komponist arbeitet derzeit an weiteren Werken für Stimme(n), darunter ein umfangreicher Solozyklus auf Texte der US-amerikanischen Poetin Sara Teasdale. Erste Auszüge finden sich, neben weiteren Werken, auf dem eben bei Genuin erschienenen Album „Wishes“ mit Lisa Florentine Schmalz (Sopran), Boglárka Pecze (Klarinette) und Mariana Popova (Klavier).
> Weitere Informationen zum Werk: The Waves
Foto: Johannes Boris Borowski (© Martin Becker)