An der Schwelle

„‘An der Schwelle‘ (‚Sheng Su‘) verwendet eine nicht-lineare, fragmentierte musikalische Form, um einen philosophischen Schwellenzustand darzustellen: Zehn Musiker bilden ein fließendes Gefüge aus Verdichtung und Auflösung, aus Klang und Stille, aus Individuum und Kollektiv. Das Werk verzichtet bewusst auf Narration und versteht ‚Hören‘ als Form des Seins. Frieden erscheint hierin nicht als äußeres Ziel, sondern als innere Verwandlung – geboren aus Offenheit gegenüber Unsicherheit und Gemeinsamkeit.
Sheng Su entstand 2020 im Auftrag der Universität Oldenburg für das Symposium ‚Zwischen Zeiten‘. Die Komposition versteht Klang als dreidimensionale Form, nicht als bloßen Zeitverlauf.
In sechs Sätzen arbeiten Flöte, Schlagzeug und Klavier mit Interferenz und vielschichtigen Strukturen, deren feine Nuancen sich zu beweglichen Klanggebilden verweben. Anstelle motivischer Entwicklung gliedert sich das Werk in eigenständige Abschnitte – wie die Facetten eines Prismas.
Charakteristisch ist der erweiterte Umgang mit Zeit: Die Musik löst sich zeitweise von messbarer Zeit und eröffnet ein psychologisch erfahrbares Zeitgefühl, in dem Klang, Raum und Zeit zu einer plastischen Einheit verschmelzen.“ (Xiaoyong Chen)