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Ein Portrait im Rahmen unserer Serie: Komponistinnen bei Boosey & Hawkes

Werdegang
Annette Schlünz wurde 1964 in Dessau geboren. „Ich habe Noten geschrieben, bevor ich Buchstaben schrieb, etwa mit fünf, es war einfach ein Ausdrucksbedürfnis“, beschreibt sie selbst ihre frühesten musikalischen Erfahrungen. Ermutigt durch Dietrich Boekle, studierte sie in Dresden neben Komposition auch Klavier, Dirigieren sowie elektronische Musik. Ab 1987 lehrte sie selbst an der Musikhochschule der sächsischen Landeshauptstadt und arbeitete im Dresdner Zentrum für zeitgenössische Musik. 1990 erhielt sie den „Eisler-Preis des Rundfunks“ und wurde Meisterschülerin der Akademie der Künste Berlin bei Paul-Heinz Dittrich. Nach Aufträgen der französischen Festivals Musica Strasbourg und Présence Paris wurde Frankreich für Annette Schlünz zu einem zweiten Lebensmittelpunkt, wo sie am Strasbourger Conservatoire Komposition unterrichtet.

Sie erhielt zahlreiche Preise, u. a. 1998 den Heidelberger Künstlerinnen-Preis; Stipendienaufenthalte führten sie 1999 in die Villa Massimo Rom, 2000 auf Schloss Solitude Stuttgart und 2014 in das Deutsche Studienzentrum Venedig; sie war Composer-in-Residence im elektronischen Studio GRAME Lyon (2005 & 2008), beim Impuls-Festival Sachsen-Anhalt (2009) und beim Festival „musiques démesurées“ in Clermont-Ferrand (2010). Annette Schlünz ist Mitglied der Sächsischen Akademie der Künste und der Freien Akademie der Künste Hamburg.

Stil
Überraschende Instrumentalbesetzungen; die menschliche Stimme, ihrer Geschichte und Ausdruckskraft bewusst; Räume der Live-Elektronik voller neuer Möglichkeiten und Hypothesen: Das sind nur einige Elemente, die der Tonsprache der Komponistin eigen sind. Ihre Musik verzichtet auf eine Zurschaustellung von Virtuosität zugunsten einer nach innen gerichteten Expedition. Der Klang selbst und seine ursprüngliche, Formen gebärende Kraft ist das Ziel dieser Unternehmung. „Ich suche nach einem immer wieder neuen Blickwinkel auf dasselbe Objekt“, beschreibt die Künstlerin ihre Konzeption. Dass eine bei der Klanggenese zunächst unmerkliche, aber gezielt eingesetzte Energie im Stande ist, eine enorme Wirkung zu entfesseln und die innere Stärke mit der äußeren zu verbinden, zeigt Schlünz in ihren Werken für kleinste wie volle orchestrale Besetzungen. Das Schaffen von Webern und Berg, später die Arbeiten von Varèse, Nono und Lachemann nennt sie als ihre Bezugspunkte. Auch die Alte Musik begleitet Schlünz unentwegt: „Die Auseinandersetzung damit eröffnete mir ein anderes Musikverständnis, einen neuen Ansatzpunkt zum eigenen Schreiben, zum Musikmachen selbst. Orlando di Lasso in den 9 Gesängen für Countertenor, Schalmei und Akkordeon und vor allem Claudio Monteverdi in meiner Oper Tre volti (Libretto Ulrike Draesner) für alte und neue Instrumente beeinflussten mein Denken, machten meine Musik lebendiger und noch bestimmter in der Behandlung der Klangfarben.“

Der innere Kompass bei der Erschließung immer wieder neuer Klangwelten bleibt für Schlünz aber die allgegenwärtige Poesie: „Jeder Tag, jedes Erlebnis, jeder Moment wird zu einem ‚Hörblick‘. Und diese Hörblicke ergeben sich allerorten: in der Natur, in früherer Musik, in der bildenden Kunst und in der Literatur, vor allem der französischen.“

Trotz einer Vorliebe für das Kontemplative in der Musik verharren die Klänge nur scheinbar bewegungslos. Gleich wachsenden, atmenden Wesen offenbaren sie ihre Transformationen und ihre Geschichten auf einer Zeitskala, die eine innere Ruhe und tiefe Neugierde fordert. Es ist diese Lebendigkeit von Schlünz’ Musik, die ihr einen unverwechselbar ungebundenen, freien Charakter verleiht. Statt einer Aus- oder Vorführung kreieren ihre Werke eine liebevolle Partnerschaft zwischen Musik und Interpret*innen.

Hörbeispiele bei YouTube
la faulx de l’été für Blockflöten und Schlagzeug
Journal nº 6 (Kraniche) für Akkordeon
Voicelessness für Ensemble
Zebra für elektrische Violine, Live-Elektronik und Zuspiel
Echoes and Reflections für Bassflöte und Bassklarinette

Werkausschnitte zum Reinhören
Audio-Bereich von "Boosey & Hawkes"

Querverbindungen
Eine Konstante in der Vielfalt der Kompositionsarbeiten von Annette Schlünz ist die enge Verbindung zur Literatur. Texte von Goethe, Shakespeare und Friedrich Huch wie auch zeitgenössische Poesie von Ulrike Draesner und Urszula Koziol wurden ins Musikalische ‚übersetzt‘. So ist es auch wenig verwunderlich, dass Schlünz das Libretto für ihre auf dem gleichnamigen Stück des tschechischen Autors Karel Capek basierende Kammeroper Matka selbst schrieb (UA Leipzig 1991). In den 1990er Jahren wurden Frankreich, die französische Sprache und Kunst zu einem zweiten zu Hause der Komponistin. In enger Zusammenarbeit mit dem Dichter Pierre Garnier entstanden Kammermusikstücke wie auch Werke für Chor.

Auch die bildende Kunst prägte das Kunstverständnis von Schlünz nachhaltig. So waren die Objekte des französischen Künstlers Daniel Depoutot nicht nur Inspiration, sondern ebenso Protagonisten des im Deutschen Pavillon der EXPO 2000 uraufgeführten Musiktheaterstücks TagNachtTraumstaub. Bildhauerkunst, z. B. die Skulpturen des Belgiers Pol Bury, ist gleichsam eine Seelenverwandte – in Schlünz Worten: „eine Musik des Übergangs, eine fast stillstehende und sich doch an allen Punkten unmerklich bewegende“.

Gegenwärtig ist Schlünz mit mehreren Vorhaben beschäftigt. Zum Hölderlin-Jubiläumsjahr 2020 entsteht für das Museum Offenbach ein Werk für Sopran, Klavier, Viola/Violine, Kontrabass und Sopran. Bei der Uraufführung werden die Sängerin Carola Schlüter und das „OfEnsemble“ zu hören sein. Neben Madrigalen von Gesualdo wird das auf Alte Musik spezialisierte Ensemble „Cappella Sagittariana Dresden“ Schlünz´ Beitrag zum Projekt „Was die Liebe begehrt“ zu Gehör bringen. Hier greift die Komponistin auf alte Instrumente wie Zinken, Gamben und Theorbe zurück. Die Aufführungen werden für Oktober 2020 in Dresden und Bad Köstritz stattfinden.

Links
Annette Schlünz bei Boosey & Hawkes

Photo: Matthias Creutziger

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