Konzert-Uraufführungen Oktober 2025

Eine Reihe prominenter Werkpremieren füllt zu Herbstbeginn unseren Kalender – Zeugnisse langjähriger musikalischer Freundschaften und Dialoge zwischen den Künsten und Epochen. Gleich zweimal vertreten: Aziza Sadikova und der diesjährige OPUS-Klassik-Preisträger Jüri Reinvere.
03.10.2025 Marian Anderson Hall, Philadelphia, PA
John Adams: The Rock You Stand On
für Orchester
Philadelphia Orchestra / Marin Alsop
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John Adams’ neues Orchesterwerk feiert die langjährige Zusammenarbeit des Komponisten mit Marin Alsop. „Sie ist eine der wenigen Dirigent*innen, denen ich vertrauen kann, dass sie das Richtige tun“, so Adams über Alsop. „Sie versteht, was ich will.“ Von einem Konsortium renommierter Institutionen gemeinsam in Auftrag gegeben, ist The Rock You Stand On ein etwa 10-minütiges Werk mit „einer gewissen Big-Band-Qualität“ (Adams) – mit pulsierenden Rhythmen und unregelmäßigen, hüpfenden Figuren, die sich durch das gesamte Orchester ziehen und von einem jazzigen Puls angetrieben werden. Der Uraufführung in Philadelphia folgen Stationen in Katowice, Manchester, Wien, New York, Houston und Chicago.
08.10.2025 Altstädtisches Rathaus, Danzig
Johannes Kalitzke: EUROPA
für Streichquartett und Sampler
NeoQuartet
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Der Stummfilm Europa, geschaffen 1931 vom polnischen Künstlerpaar Stefan und Franciszka Themerson, ist ein eindringliches Zeugnis der Ära – politisch, visuell, ästhetisch. Jahrzehntelang galt er als verschollen, konnte jedoch in den 1980er Jahren notdürftig rekonstruiert werden. 2019 folgte die Sensation, als der Originalfilm im Bundesarchiv in Berlin wiederentdeckt wurde und so, 90 Jahre nach seiner Entstehung, beim London Film Festival zur Uraufführung vor Publikum kam. Nun widmet Johannes Kalitzke ihm eine neue Musikspur und setzt so seine intensive Beschäftigung mit Stummfilmen aus der Zwischenkriegszeit fort – erstmals zu hören in Danzig mit dem NeoQuartet, einem der bekanntesten Streichquartette Polens, gefolgt von einer Aufführung im Rahmen des 33. Audio Art Festival in Krakau.
16.10.2025 Salle Cortot, Paris
Alexander Raskatov: Ode for Valentin’s Day
für 8 Violoncelli und eine Flasche Champagner
Boris Andrianov & Cellisten der Fondation Gautier Capuçon
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Alexander Raskatov schrieb das kurze, spritzige Werk 2005 anlässlich des 80. Geburtstags von Valentin Berlinski, dem Gründer des Borodin-Quartetts. Mit dem Valentinstag am 14. Februar hat es nichts zu tun, der Titel bezieht sich auf den Vornamen des Jubilars. Im selben Jahr feierte das 1945 gegründete Borodin Quartett zudem das 60. Jubiläum seines Bestehens. 2025 überarbeitete Alexander Raskatov das seinerzeit im privaten Rahmen gespielte Werk. Den Untertitel erklärt der Komponist so: „Im letzten Takt der Ode muss jemand von außen eine Flasche Champagner mit sehr lauter Verstärkung öffnen, um den festlichen und humorvollen Kontext zu unterstreichen.“
18.10.2025 Museum Wiesbaden
Jüri Reinvere: Nachtbild mit Wetterleuchten
für Streichquartett
Arditti Quartet
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Nach seinem großangelegten zweistündigen Zyklus der Four Quartets für verschiedene Ensembles, von dem das Minguet Quartett 2024 den letzten Teil Four Quartets. IV: Prospekt Mira uraufgeführt hat, wandte sich der estnische Komponist der Gattung mit einem neuen Werk für das Arditti Quartet zu. Es wird im Rahmen eines Gedenkkonzerts für den 2018 verstorbenen großen Förderer der Neuen Musik, Walter Fink, uraufgeführt. „Nachtbild mit Wetterleuchten setzt meinen Nocturne-Zyklus für verschiedene Besetzungen fort“, sagt Reinvere, „und begreift die Tageszeit nicht nur als Idyll und Ruhephase.“
22.10.2025 Carnegie Hall, New York, NY
Brett Dean: Streichquartett Nr. 4
Belcea Quartet
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Mit seinem nunmehr vierten Streichquartett setzt Brett Dean seine kontinuierliche Auseinandersetzung mit dieser Königsdisziplin der Kammermusik fort. Komponiert für das Belcea Quartet, das 2024 sein 30-jähriges Bestehen gefeiert hat, stellt sich Deans jüngster Gattungsbeitrag in eine Reihe mit seinen früheren Quartetten, die sich durch komplexe Dramaturgie und hochpräzise Kammermusiksprache auszeichnen und stets die versierte Handschrift des selbst als Bratschist tätigen Komponisten offenbaren. Das 20-minütige, „A Little Book of Prayers“ untertitelte Werk umfasst fünf Sätze verinnerlichten Charakters und ist dem Andenken Laura Samuels (1976–2024) gewidmet, Gründungsmitglied des Belcea Quartet. Der Premiere in New York folgen im Laufe der kommenden Saison Aufführungen in den Niederlanden, in Frankreich, in Australien, in Österreich und in Deutschland.
24.10.2025 Auditorio de Tenerife, Santa Cruz
Ferran Cruixent: Emergence
für Orchester
Orquesta Sinfónica de Tenerife / Pablo González
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Für sein neues Orchesterwerk hat sich der katalanische Komponist Ferran Cruixent vom Meer und dessen Einfluss auf die Kanarischen Inseln, dem Ort der Uraufführung, inspirieren lassen. Das Stück soll eine Art Prélude zu Claude Debussys ikonischem La Mer darstellen, erklärt der Komponist. Im Zentrum steht zudem das Visionäre in der Neuen Musik, das nach Cruixents Ansicht im 20. Jahrhundert wesentlich von Debussy, Strawinsky und Lili Boulanger geprägt wurde. Cruixent, dessen Werke in aller Welt gespielt werden – sein Schlagzeugkonzert Focs d’artifici erlebte gerade sein 50. Aufführungsjubiläum – setzt sich immer wieder auch mit neuen Technologien und ihren Einflüssen auf die Gesellschaft auseinander.
24.10.2025 Estonia Concert Hall, Tallinn
Jüri Reinvere: Konzert für Flöte und Orchester
Monika Mattiesen / Estonian National Symphony Orchestra / Susanne Blumenthal
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Am 12. Oktober 2025 erhält Jüri Reinvere einen OPUS Klassik als Komponist des Jahres. Wenig später findet nach mehrfachen Verschiebungen die Uraufführung seines neuen Flötenkonzerts statt. „Nach meinen Solowerken für Flöte, nach meinem Requiem für Männerchor, Flöte und Sprecher und meinem Doppelkonzert für zwei Flöten, Streicher und Pauken war ein großes Flötenkonzert zu schreiben eine ganz besondere Aufgabe“, sagt Reinvere. „Zumal ein Flötenkonzert für Monika Mattiesen, mit der ich nun schon so lange zusammengearbeitet habe. Obwohl die Flöte ein sehr filigranes Instrument ist, glaube ich an die sehr dynamische Ausdruckskraft dieses Instruments. Das will ich mit diesem Konzert auch umsetzen, indem ich nach ganz unterschiedlichen Konstellationen zwischen Solo-Instrument und großem Orchester suche.“
26.10.2025 Elbphilharmonie, Hamburg
Aziza Sadikova: Schmerz und Vorahnung
für Orchester
Philharmonisches Staatsorchester Hamburg / Holly Hyun Choe
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Peter I. Tschaikowsky ist ein Lieblingskomponist von Aziza Sadikova. Seine dramatische Musik, aber auch sein bewegtes und in den letzten Lebensjahren tragisches Leben hat sie immer fasziniert. Schmerz und Vorahnung – eine Überschreibung der Sätze II und III seiner 4. Sinfonie – ist ein Werk über den Komponisten. „Ich habe versucht, einen eher filmischen Effekt zu erzielen, indem ich den Zuhörer in Tschaikowskys Gedanken und sein emotionales Umfeld entführe“, sagt die Komponistin. „Tschaikowsky ist hier in seine eigene Welt eingetaucht, irgendwie verschwommen, verträumt und tragisch, die letzten Momente seines Lebens vorhersagend. Ich versuche, einen Kontrast zwischen zwei Realitäten zu schaffen (einen Konflikt) und Tschaikowskys innere Gedanken mit der äußeren Welt drastisch zu verbinden.“
Weitere Konzert-Uraufführungen im Oktober 2025:
04.10.2025 Kühlhaus, Berlin
Aziza Sadikova: Rose
für Altflöte solo
Mira Tulenova
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05.10.2025 Corn Exchange, Brighton
Robin Holloway: Klavierquartett
Elena Urioste, Rosalind Ventris, Laura van der Heijden & Tom Poster
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18.10.2025 Sunset Center, Carmel-by-the-Sea, CA
Steven Mackey: Anemology
für Saxofon und Orchester
Tim McAllister / Monterey Symphony / Jayce Ogren
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31.10.2025 Burgh House, London
Lloyd Moore: Two Elegiac Miniatures
für Klavier
Sasha Valeri Millwood
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Fotos ©: Deborah O'Grady, Manfred Rinderspacher, Elly Clarke, Bettina Stöß, Quim Roser, Alina Leonova, privat