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Das Manuskript (23 Partiturseiten in Hochfolio) des hier erstmalig veröffentlichten dreisätzigen Quartetts hat Adalbert Lindner, Regers getreuer Jugendmentor, als kostbares Vermächtnis seines Schülers lebenslang bewahrt, in seinen Erinnerungen – A. Lindner, „Max Reger, ein Bild seines Jugendlebens und künstlerischen Werdens“ (3. Aufl. 1938 bei G. Bosse, Regensburg) – Seite 65 bis 72 – ausführlich beschrieben und noch seine durch zeitbedingte Schwierigkeiten und Lindners Tod (30.11.1946) verzögerte Herausgabe vorbereitet.

Nach Lindners authentischem Zeugnis schrieb Reger diesen vor Ostern 1889 vollendeten Quartettversuch im Alter von noch nicht 16 Jahren, „ohne die Partitur eines klassischen Streichquartetts studiert noch gehört zu haben“. Für seine weitere Entwicklung wurde diese Talentprobe von entscheidender Bedeutung dadurch, daß Lindner sie an Hugo Riemann sandte mit der Bitte um ein Gutachten, ob des jugendlichen Autors Begabung für den Musikerberuf ausreichend sei. Riemann bejahte nicht nur diese Schicksalsfrage, sondern erbot sich sogleich, Regers Ausbildung zu übernehmen, worauf der besorgte Vater vor dem autoritativen Urteil des schon damals bekannten Musiktheoretikers seine Bedenken fallen ließ.

Dies erste Quartett eines mit dem Kontrapunkt noch nicht vertrauten Knaben, in der Tat ein erstaunlicher Beweis schöpferischer Frühbegabung, zeigt naturgemäß alle Merkmale einer Jugendarbeit: Die Erfindung steht noch ganz unter dem Einfluß klassischer Muster, vor allem Beethovens; im Adagio, in der Zeit von Regers erster großer Beethovenbegeisterung entstanden, ist das Vorbild dieses Meisters so deutlich, daß Lindner diesen Satz geradezu als eine „absichtlich gewollte Beethovenstudie“ bezeichnet. Auch die Verarbeitung des Themenmaterials verrät eine noch ungeübte Hand: gewaltsame Modulationen, ja „falsche Fortschreitungen“, vom reifen Reger so ängstlich gemieden, finden sich nicht selten, ebenso läßt die technische Behandlung der Streicher manche Wünsche offen, vor allem ihre Phrasierung, die bei der Ausführung weitgehende Modifikationen erfordert. Auch die Dynamik, die sich in der Häufung der Vortragsbezeichnungen, charakteristisch ja auch für den späteren Reger, nicht genug tun kann, die oft naiven Bemerkungen zur Verdeutlichung der Ausdrucksabsichten, die quartettfremde Verwendung eines Kontrabasses im 3. Satz u.a. lassen Unerfahrenheit und Mangel an technischer Routine erkennen. Und doch, trotz aller Unzulänglichkeiten kündigt sich in diesem Zeugnis jugendlich-ungebändigten Sturmes und Dranges schon Regers Personalstil an.

Die Art der Themenaufstellung, ihre frei strömende Weiterspinnung, die gewaltigen Steigerungen und Kraftausbrüche, die starken dynamischen Gegensätze, der Einbau neuer Gedanken in das Gefüge der Hauptthemen – so im 3. Satz (Takt 68 bis 126) das Aufgreifen des Adagiothemas mit einer Durchführungsepisode von 59 Takten, – all diese für den künftigen Meister der Kammermusik so charakteristischen Form- und Stilelemente finden sich bereits hier vorgebildet, und schon beginnen sich die Grundkräfte von Regers ureigenstem Gestaltungswillen unbewußt und keimhaft zu regen.

Von der Verbesserung offenkundiger Versehen und Flüchtigkeiten abgesehen, wird in diesem Erstdruck das Original mit allen Unebenheiten wiedergegeben. Die Revision beschränkte sich darauf, die oA: nur in einer Stimme angedeuteten dynamischen Bezeichnungen sinngemäß zu vervollständigen. Den für den 3. Satz geforderten „Kontrabaß von halber Größe, um nicht zu übertönen“, wird man praktischerweise durch ein 2. Violoncell ersetzen. Seine Stimme, die im allgemeinen nur das Violoncell oktavierend verstärkt und nur an wenigen Stellen (vor allem Takt 30 bis 105) als selbständige Baß-Stütze auftritt, kann mit einigen Anderungen unschwer vom Violoncell mit übernommen werden, so daß dies reizvolle, keine außergewöhnlichen technischen Schwierigkeiten bietende Frühwerk Regers auch Hausmusik- und Liebhaberspielgruppen in normaler Quartettbesetzung als willkommene Gabe leicht zugänglich sein wird. Daß es über seine biographische Bedeutung hinaus Spieler wie Hörer auch rein musikalisch in hohem Grade zu fesseln vermag, hat seine erfolgreiche Erstaufführung am 18. Juni 1941 im Rahmen einer Regerfeier der Berliner Hochschule für Musik zum 25. Todestage des Meisters bewiesen.

Dr. Fritz Stein, London-Wimbledon, 30. Juli 1951


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