Arvo Pärt, der Meister des Zeitlosen, wird 90

Bei Arvo Pärts Musik fühlt man sich unentwegt auf Zeitreise. Stile längst vergangener Zeiten verschmelzen mit der Moderne. Am 11. September wird der große estnische Komponist 90 Jahre alt.
Die in manchen Phasen seines Schaffens an Alte Musik anknüpfende, oft archaisch klingende und stets hochemotionale Musik Arvo Pärts hat viele Menschen in aller Welt erreicht. Ähnlich wie der russische Komponist Alfred Schnittke und doch auf eine ganz eigene Art wandte sich der Este in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts polystilistischen Techniken zu.
Am 11. September 2025 wird Arvo Pärt 90. Geboren wurde er in Paide, begann 1956 Klavier- und Musiktheorieunterricht an der Musikschule von Tallinn zu nehmen und wechselte zwei Jahre später an das dortige Konservatorium, wo er 1963 in der Klasse von Heino Eller das Kompositionsstudium abschloss. Unter dem Eindruck seiner Tätigkeit als Tonmeister beim Estnischen Rundfunk (von 1957 bis 1967) und der damit einhergehenden Beschäftigung mit neuen Strömungen in der Musik bediente sich Pärt nach ersten kompositorischen Versuchen im Stile Schostakowitschs und Prokofjews zunächst der Zwölftontechnik und des Serialismus.
Ein Beispiel hierfür ist das Luigi Nono gewidmete Perpetuum mobile für Orchester (op. 10) aus dem Jahre 1963, das auf einer Zwölftonreihe beruht und in sich eine einzige Steigerung darstellt, bei der die Instrumente jeweils eine Repetition einzelner Töne in einer gleichbleibenden Geschwindigkeit spielen. Dieses Werk machte Pärt durch erfolgreiche Aufführungen auf verschiedenen internationalen Festivals für Neue Musik auch außerhalb der Sowjetunion bekannt. Aus dem Jahr 1964 stammt die berühmte und oft gespielte Collage über B-a-C-h für Streicher, Oboe, Cembalo und Klavier, in der sich Pärt der von Alfred Schnittke später mitgetragenen Polystilistik zuwandte. In dieser Kompositionstechnik wird mit Zitaten, Quasi-Zitaten (stilistischen Anleihen) und Collagetechniken gearbeitet, so dass im Hörerlebnis Brücken zwischen ursprünglich möglicherweise historisch weit Auseinanderliegendem geschlagen werden können. So kombiniert Pärt barock anmutende Passagen und Bach-Zitate mit einer Zehntonreihe und verwendet Toncluster. Im Jahr 1966 entstand auch das Konzert für Violoncello und Orchester Pro et contra. Es ist eins der letzten Werke von Pärts erster Schaffensperiode, die von Zwölftonreihen, Serialismus, Aleatorik und Polystilistik geprägt war.
In den Jahren 1972 bis 1976 legte Arvo Pärt eine Schaffenspause ein und beschäftigte sich viel mit mittelalterlicher Musik, vor allem mit geistlicher Musik aus dem 14. und 15. Jahrhundert. In dieser Atmosphäre veränderte sich sein Kompositionsstil auffällig: Mit einer radikalen Reduktion des Tonmaterials waren nun in Mustern strukturiert kombinierte Dreiklangs- und Skalenformen grundlegend, die an den Klang von Glocken erinnern. Aus diesem Grund hat Pärt dieser Technik den Namen „Tintinnabuli-Stil“ gegeben. „Tintinnabuli“ bedeutet im Lateinischen „Glöckchen“. Mit dieser Technik soll ein Zustand „angespannter Ruhe“ erzeugt werden. Gleichzeitig kommt eine tiefe Religiosität in der Musik zum Ausdruck. In diesem Stil komponierte Pärt 1976 das Werk Trivium für Orgel. Das Stück beruht auf schlichten, klar greifbaren Tonfolgen, die oberflächlich an die einflussgebenden musikalischen Strukturen des Gregorianischen Chorals erinnern, anfangs anders als in der Gregorianik unterlegt mit einem Bordun, der dem Ganzen eine klare tonale Orientierung gibt; hierbei gibt es keine eigentliche Mehrstimmigkeit, lediglich Drei- und Vierklänge.
1980 zog Arvo Pärt nach Wien und zwei Jahre später nach Berlin, wo er die nächsten zwei Jahrzehnte verbrachte, bevor er vor wenigen Jahren wieder nach Tallinn zurückkehrte. Das letzte bei Boosey & Hawkes | Sikorski verlegte Werk von Pärt ist das Concerto piccolo über B-a-C-h. Die Orchesterstimmen entsprechen der „Collage über B-A-C-H“ von 1964, bei der Arvo Pärt in Zusammenarbeit mit dem schwedischen Trompeter Håkan Hardenberger die Oboe durch eine Trompetenstimme ersetzte, was dem Klang dieses fantastischen Stückes einen deutlich anderen Charakter verleiht.
> Alles über den Komponisten beim Arvo Pärt Centre.
Foto: Arvo Prät (© Eric Marinitsch)