Komponieren für Pierre Boulez

Als Komponist, Dirigent und Denker war Pierre Boulez (1925–2016) eine der prägendsten Persönlichkeiten der Musik im 20. Jahrhundert. Auch im Werk mehrerer Komponistinnen und Komponisten bei Boosey & Hawkes hat er bleibende Spuren hinterlassen – klingende Hommagen zu seinem 100. Geburtstag am 26. März 2025.
Die Liste derjenigen, denen Pierre Boulez zum Mentor oder sogar zu einem engen Freund wurde, liest sich wie ein Who-is-Who der musikalischen Moderne. So verwundert es nicht, dass sich unter ihnen auch einige Komponistinnen und Komponisten finden, die bei Boosey & Hawkes ihr verlegerisches Zuhause haben.
Ihre Werke, denen Boulez in seiner Rolle als sensitiver, skrupulöser, immer wieder für Überraschungen guter Dirigent zum Leben verhalf, illustrieren die lange Dauer seines Wirkens, angefangen von Iannis Xenakis’ stochastisch-symbolischer Antiken-Hommage Eonta, uraufgeführt 1964 im Rahmen von Boulez' „Domaine musical“, bis hin zu Elliott Carters What Are Years, aus der Taufe gehoben 2010 mit der Sopranistin Claire Booth und dem Ensemble intercontemporain beim Aldeburgh Festival. Zeugnisse der engen Verbindung mit Carter sind auch dessen Clarinet Concerto, entstanden 1996 zum 20. Geburtstag des Ensemble intercontemporain und für seinen Klarinettisten Alain Damiens, sowie das 2005 in der Pariser Cité de la Musique uraufgeführte Ensemblestück Réflexions. Zu den von Boulez erstmals dirigierten Werken jüngerer Kreativer zählen Olga Neuwirths Trompetenkonzert … miramondo multiplo … (2006) sowie Johannes Boris Borowskis Orchesterstück change (2008).
Folgerichtig ist Pierre Boulez auch Widmungsträger etlicher Kompositionen aus der Feder enger Weggefährt*innen. Einer von ihnen ist York Höller, dessen Musiksprache der französischen Moderne viel verdankt. Zum 60. beziehungsweise zum 75. Geburtstag von Boulez schrieb Höller seine Improvisation sur le nom de Pierre Boulez, die den Namen des Jubilars in Töne verwandelt und später als 3. Satz in den Ensemblezyklus Gegenklänge integriert wurde, sowie Verzweigung, die Nr. IX von Höllers vierzehn Monogrammen für Klavier. Geburtstagsstücke sind auch Harrison Birtwistles Hoquetus Petrus für zwei Flöten und Piccolotrompete (1995) und Ostinato with Melody für Klavier (2000), ebenso Elliott Carters Esprit Rude/Esprit Doux für Flöte und Klarinette (1985) sowie die oben erwähnten Réflexions, und schließlich Unsuk Chins Piano Etude No.6 (Grains) (2000).
Aktuell entstehen mehrere Orchesterstücke, die Boulez posthum ihre Reverenz erweisen. So begann Olga Neuwirth eine Werkreihe unter dem gemeinsamen Titel „Tombeau“, die sich allesamt auf den persönlichen Freund und Förderer ihrer Musik beziehen, konkret auf dessen Klavierzyklus Notations. Es handelt sich um Metamorphosen, die kompositorische Ideen von Boulez aufgreifen, ausdehnen und mit weiteren Assoziationen und Aspekten seines musikalischen Kosmos verweben. Tombeau II. Hommage à Pierre Boulez wurde am 26. Januar 2025 mit dem London Symphony Orchestra unter Maxime Pascal, Tombeau I am 8. Februar mit dem Orchestre Philharmonique de Radio France unter Matthias Pintscher uraufgeführt. Ein weiteres Tombeau III für Streichorchester ist in Arbeit – so wie gleichermaßen auch ein neues Orchesterwerk, das Ondřej Adámek für die Berliner Philharmoniker zur Uraufführung in der Spielzeit 2025/26 schreibt.
Foto: Elliott Carter und Pierre Boulez, New York Philharmonic Hall 1977 (© Boosey and Hawkes / ArenaPAL)