Elena Firsova zum 75. Geburtstag

Komponisten – natürlich nicht alle – hätten viel „mit Priestern und Gärtnern gemeinsam“, sagte Elena Firsova einmal. Eine in gewisser Weise überraschende Aussage, der Firsova noch hinzufügte, dass Komponieren für sie Selbstvertiefung, Berührung mit der Schönheit und Verbindung zur immateriellen Welt bedeute. Am 21. März begeht die in England lebende russische Komponistin ihren 75. Geburtstag.
Die Schönheit der Kunst auch in Zeiten politischer Krisen und widriger Lebensumstände in den Mittelpunkt zu stellen, spricht für das große künstlerische Selbstvertrauen von Elena Firsova. So erklärt sich auch, warum ihre meist kurzen und stets sehr formbewussten Werke oft einen so berührend intimen und überaus lyrischen Charakter haben. Am 21. März wird Firsova 75. Derzeit arbeitet sie an einem neuen Klavierquintett und an einem Kammerkonzert für Klavierquartett und Streichorchester, die im Laufe des Jahres zur Uraufführung kommen sollen. Im Sommer ist sie außerdem Residenzkomponistin der Rudersdal Sommerkoncerter in Dänemark.
Firsova wurde 1950 als Tochter eines Physiker-Ehepaares in Leningrad geboren. Bereits mit zwölf Jahren begann sie zu komponieren und erhielt vier Jahre später erstmals Kompositionsunterricht. 1970 wurde Firsova am Moskauer Konservatorium Studentin von Alexander Pirumow. Mit zeitgenössischer Musik kam sie durch ihren Privatlehrer Edison Denisov in Kontakt. Durch ihn und durch Philipp Herschkowitz, einen Schüler von Alban Berg und Anton Webern, verinnerlichte sie das musikästhetische Denken der Zweiten Wiener Schule, das mehr oder weniger bis heute ihr Schaffen prägte. Doch auch Einflüsse französischer Komponisten wie Olivier Messiaen und Pierre Boulez finden sich in Firsovas musikalischer Sprache wieder.
1972 heiratete Elena Firsova den Komponisten Dmitri Smirnov. Mit ihm, Nikolai Korndorf und Edison Denisov gründete sie im Januar 1990 die Vereinigung zeitgenössischer Komponisten ASM, die mit einem eigenen Ensemble russische Werke im Ausland aufführte. 1979 wurden erstmals Stücke von Firsova in Köln, Venedig und Paris mit großem Erfolg aufgeführt. In demselben Jahr erlebte die junge Komponistin in der russischen Heimat jedoch einen herben Rückschlag: Der Komponistenverband griff ihre Werke als „nicht sowjetwürdig“ an.
Die Angst vor einem politischen Putsch und die Sorge um die Zukunft ihrer Kinder führten 1991 zu dem Entschluss des Ehepaars, nach England zu emigrieren. Dort war Firsova zunächst von 1993 bis 1997 als Professorin an der Universität Keele in Newscastle-under-Lyme tätig. Von 1999 bis 2001 unterrichtete sie in Manchester. „Als wir nach England gingen“, erinnert sich die Komponistin, „erhielten wir dort sehr wichtige Aufträge (unter anderem bei den ‚Proms‘). Ich war mit meinem Mann Dmitri Smirnov zu Aufführungen unserer Musik beim Southbank Festival in London eingeladen. In England hatten wir große Unterstützung durch unseren Freund Gerard McBurney, der für uns eine Art Forschungsstipendium in Cambridge organisierte, um uns im Vorfeld bei der Eingewöhnung behilflich zu sein. So beschlossen wir, es zu versuchen, und waren erfolgreich.“ McBurney, Dirigent und Bearbeiter, zeichnet für viele Einrichtungen von Schostakowitschs Werken verantwortlich, darunter eine kongeniale Fassung der Operette Moskau. Tscherjomuschki.
Bis heute hat Firsova weit über hundert Kompositionen geschrieben. In ihren Vokalwerken verwendet sie oft Texte des russischen Dichters Ossip Mandelstam, der 1937 vom russischen Regime verhaftet wurde und ein Jahr später auf dem Weg in ein Arbeitslager starb. Aber auch ihre Instrumentalkompositionen sind fast immer mit Mandelstams Poesie verbunden, mit seiner Beziehung zur Kunst und zum Tod. Firsovas Kammerkonzert für Kontrabass und Streicher wurde 2024 uraufgeführt. Ihr Konzert für Saxophonquartett und Orchester wird in den nächsten Jahren zahlreiche weitere Aufführungen erleben.
Foto: Elena Firsova (© Alissa Firsova)